Wenn man sich meine Tourenkarte ansieht, dann wird es langsam aber sicher doch auffällig, dass es da vor allem noch einen grossen weissen Flecken gibt: Nordamerika.

Früher habe ich immer gesagt dass ich da ja später immer noch mal hin gehen kann. Später ist jetzt und nun soll es tatsächlich nach Nordamerika gehen.

Starten will ich ganz oben in Alaska und da reichen die 3 Monate die ich ohne Visum bleiben darf nicht. Ein Visum muss also her. Für jemand der seit bald 3 Jahren auf der Strasse lebt und keinen Job hat, nicht ganz unproblematisch. Ich kann die Beamten aber überzeugen, dass ich bestimmt nicht in den USA bleiben will und bin bald darauf auf dem Weg nach Fairbanks.

Es gibt in Alaska nur eine einzige Strasse die ganz in den Norden zum Arktischen Ozean führt, den Dalton Highway. Die Strasse wurde in den 70ern gebaut als bei Prudhoe Bay Öl gefunden wurde. In Fairbanks erfahre ich leider, dass die Strasse seit Wochen gesperrt ist wegen einer massiven Überschwemmung. Doch diese ist erst auf den letzten 100km. Bis dahin kann ich fahren. Was erst etwas enttäuschend ist, stellt sich schon bald als grosser Vorteil heraus. Auf der Strecke hat es normalerweise viele schwere Lastwagen unterwegs auf dem Weg zu den Ölfeldern. Jetzt aber hat es so gut wie keinen Verkehr und ich habe die Strasse fast für mich alleine. 

In Fairbanks rüste ich mich aber erst einmal mit den wichtigsten Sachen für die Gegend aus: Mücken- und Bären-Spray (eine Art überdimensioniertes Pfefferspray). Der Verkäufer belehrt mich noch, dass man das Bärenspray dann nicht wie Mückenspray anwenden soll…aha.

So bewaffnet und beladen mit Essen für gut 10 Tage starte ich. Am zweiten Tag erreiche ich den Start des Dalton Highway. Der Belag besteht aus einer Mischung von Erde und Schotter, welcher sich sehr gut fährt. Als es dann aber am nächsten Tag recht heftig regnet, wird das alles zu einer riesengrossen Sauerei bis ich schliesslich gar nicht mehr fahren kann weil der Antrieb versagt. Am nächsten Morgen ist das Wetter wieder gut und die Strasse trocken und es kann weitergehen.

In den ersten Tagen ist es oft eine regelrechte Achterbahn Fahrt. Die Strasse führt oft gerade über die rollenden Hügel was viele kurze, steile Anstiege zur Folge hat. Wenn ich jeweils oben bin und sich der Blick auftut über diese unendlich weite Wildnis reisse ich oft die Arme in die Höhe und schreie vor Glück. Das ist einfach grandios hier diese endlose Weite.

Leider ist das Zelten am Abend meist nicht ganz so idyllisch wie man sich vielleicht denken mag. Das liegt vor allem an den Mücken die in unglaublichen Mengen über mich herfallen, sobald ich anhalte. Da heisst es jeweils so schnell wie möglich Zelt aufstellen und drin bleiben bis am nächsten Morgen. Zudem muss ich der Bären wegen all meine Lebensmittel abseits meines Zeltes lagern. Wenn ich aber zelte wache ich in der Nacht normalerweise oft auf, schlicht weil ich Hunger habe. Jetzt aber wo die Vorräte 100m entfernt auf einem Baum lagern, bleibt es bei einem knurrenden Magen bis zum Morgen.

Am dritten Tag überquere ich den Polarkreis. Ab hier scheint die Sonne nun praktisch 24h. Die Vegetation wird mit jedem Tag dünner, die Bäume immer kleiner. Tolle Bergketten flankieren das Tal zu beiden Seiten. Am sechsten Tag überquere ich die Kontinentalscheide auf dem Atigun Pass. Am hier hat es nun nur noch Tundra. Bären sehe ich noch keine, aber mehrere Elche und Stachelschweine kreuzen die Strasse. Bis hierher waren die Temperaturen wunderbar angenehm. Jetzt aber, kurz vor dem Pass ist es markant kälter geworden. Gegen einen regelrechten Sturm ankämpfend erreiche ich den Pass und kurz darauf beginnt es zu schneien.

Nach einer eiskalten Nacht geht es am nächsten Tag im Schneesturm weiter. Die Fahrt bis hierher war herrlich ruhig. Zeitweise schon fast gespenstig ruhig, so wenig Verkehr hat es. An den letzten 2 Tagen zähle ich noch 3-5 Fahrzeuge pro Tag.

So langsam mache ich mir etwas Sorgen, denn ich hatte gehofft per Anhalter zurück nach Fairbanks zu kommen. Kurz bevor ich das Ende der offenen Strasse erreiche, kommt mit ein Fahrzeug entgegen, dass ich sogleich anhalte…und ich werde gleich mitgenommen zurück nach Fairbanks. Da habe ich nun wirklich Glück gehabt. 

Das nächste Ziel ist der höchste Berg Nordamerikas: der Denali. Im Park drin dürfen nur die park-Busse und Velofahrer fahren. Optimal und so fahre ich ein paar Tage in den Park hinein. Den Berg sehe ich leider nur einmal von weit weg. Aber auch so ein unglaublich imposanter Klotz aus Eis. Die restliche zeit ist er wie meistens in dichte Wolken gehüllt.

Ich kann einige Tiere sehen im Park: Fall Schafe, Elche und Caribous. Das Highlight sind aber ganz klar die 3 Grizzly Bären die ich unweit der Strasse beobachten kann. Diese wunderschönen und imposanten Tiere vom Vetosattel aus in der freien Wildbahn zu erleben ist schon sehr eindrücklich. 

Nach dem Park fahre ich auf dem Denali Highway nach Osten. Eine 200km lange Schotterstrasse. Unterwegs hat es keine Siedlungen nur endlos Wildnis. Im Talboden hat es weite Flussläufe und viele Seen und an den Seiten wird das Tal flankiert von vielen schneebedeckten Bergen, Gletscher kommen bis weit runter. Das Wetter ist mindestens so wild wie die Natur. An einem Tal starte ich bei eisig kalten Temperaturen und einem starken Gegenwind. Später komme ich in ein heftiges Gewitter, dann ich einen Schneesturm und schliesslich in einen Hagelsturm bis alles weiss ist. Dazwischen scheint immer wieder die Sonne. Und das alles an einem einzigen Tag. 

Ich habe bei einem kleinen Bach angehalten um meine Wasserflaschen aufzufüllen. Als ich beim Wasser unten bin, taucht plötzlich ein Schwarzbär aus dem Busch auf. Oje, wie war das jetzt schon wieder? Nicht rennen (einfach gesagt…), sich deutlich bemerkbar machen und langsam weggehen. Als ich wieder auf dem Velo sitze kommt der Puls nur langsam wieder runter.