Wenn man auf so einer langen Reise ist, dann gehört das einholen von Visa zum täglichen Brot. Der Gang zu den Behörden ist zeitintensiv, oft teuer und manchmal frustrierend weil man halt immer am kürzeren Hebel sitzt. Dann aber gibt es auch die Glücksmomente wenn es dann klappt. Einen solchen hatte ich vor ein paar Wochen. Dank eines Freundes mit guten Beziehungen habe ich das vielleicht begehrteste aller Visa überhaupt erhalten: Bhutan! Das Innenministerium persönlich hat mich eingeladen und ich darf 22 Tage lang alleine mit dem Velo durch das Land fahren ohne eine Reise für 290$/Tag buchen zu müssen. Ich kann mein Glück kaum fassen und die Vorfreude ist riesig.
Bhutan, ein Land so gross wie die Schweiz, wo über 80% des Landes über 2000m liegen. Das erste vollkommen nikotinfreie Land in welchem Plastiksäcke verboten sind. Wirtschaftliche Interessen werden dem Umwelt- und Naturschutz (welcher in der Verfassung verankert ist) untergeordnet. Der König hat in diesem Zusammenhang den Begriff des ‚Bruttoinlandglücks‘ als wichtigeres Ziel als das Bruttoinlandprodukt definiert. Das Land verfügt über eine Naturbelassenheit die heutzutage weltweit einzigartig ist. Mehr als zwei Drittel des Landes sind bewaldet und der 7570m hohen Gangkhar Pensum ist der weltweit höchste Berg, der noch nie von einem Menschen bestiegen wurde.
Das tönt alles fast zu Gut um Wahr zu sein. Dies und die Tatsache, dass nur sehr wenige Touristen Bhutan besuchen weil es so teuer ist, haben dem Land einen schon fast mystischen Status verliehen, ein regelrechtes Shangri La, fernab der Probleme der Welt.
Der Grenzübergang trägt nicht gerade viel dazu bei, solche Vorurteile zu widerlegen, im Gegenteil. Da ist auf der einen Seite Jaigaon, eine typische kleine indische Stadt mit dem üblichen Lärm, Gestank und Abfall und nur wenige Meter weiter betritt man eine andere Welt. Mit einem Mal ist es plötzlich so ruhig. Alles ist sauber und wohl geordnet. Keine Hektik weit und breit.
Doch zum Träumen bleibt erstmal keine Zeit. Die Strasse verliert keinen Meter und gleich nach der Grenze muss ich 2000m senkrecht in die Höhe klettern. Als ich die ersten Häuser sehe, glaube ich erst dass es Tempel sind. Die weissen Mauern mit den vielen kleinen Fenstern und reich bemalten und geschnitzten Holzkonstruktionen erinnern mich sofort an Tibet. Doch sie sind unterschiedlich, haben ihren ganz eigenen Charakter. So scheint es mit vielen Dingen zu sein: Klöster, Tempel, Kleider, Schmuck, vieles erinnert stark an Tibet, ist aber doch anders und ganz typisch Bhutan und gibt dem Land eine ganz eigene, starke Identität.
Die meisten Männer tragen einen Gho, eine Art Mantel welcher mit einem Gurt zusammengehalten wird. Ähnlich dem Chuba in Tibet. Blos ist der Gho nur knielang und wird mit Kniestrümpfen getragen. An den ersten Tagen muss ich ein paarmal schmunzeln bei dessen Anblick, habe mich dann aber schnell daran gewöhnt weil es fast alle tragen. Die Frauen tragen einen bunten Kira der sehr elegant aussieht. Am Samstag Morgen gehe ich zum Archery Ground. Bogenschiessen ist Bhutans Nationalsport und besonders an den Wochenende werden überall kleine Turniere abgehalten. Ich werde freundlich empfangen und man erklärt mir alles. Es gibt solche die traditionelle Bogen aus Bambus benutzen, aber auch hochmodernes Material wird eingesetzt. Es ist aber in erster Linie ein sozialer Event wo mann sich trifft und danach zusammensitzt.
Die Klöster hier in Bhutan heissen Dzong und in fast jedem Ort hat es eines. Ich besuche viele davon. Mir gefallen vor allem die kleinen wo ich immer sehr freundlich empfangen werde und dann mit den Mönchen für einen Schwatz zusammensitze und viele interessante Sachen erfahre. Da gibt’s aber auch die ganz grossen Dzongs von Paro und Punakha welche in ihrer Architektur und kunstvollen Verzierung schlicht atemberaubend sind.
Noch spektakulärer als die Taktshang Goemba kann man ein Kloster nicht mehr platzieren. Es liegt auf einem kleinen Felsvorsprung mitten in einer Felswand 900m über dem Talboden, ein unglaublicher Anblick. Bekannt wurde das ’Tiger Nest’ auch weil Szenen aus Bertoluccis ‚Little Buddha‘ hier gedreht wurden.
Von Paro aus fahre ich über den 3810m hohen Chele La ins benachbarte Ha Tal. Die Fahrt zurück zum Haupttal ist einfach nur idyllisch. Kaum Verkehr, dichte Wälder soweit das Auge reicht und dazwischen immer wieder kleine Siedlungen mit diesen wunderschönen Häusern.
Thimpu ist auch bekannt als einzige Hauptstadt weltweit, welche keine Lichtsignale hat. Hier treffe ich Pema. Er und seine Freunde zeigen mir die Stadt und laden mich zum Nachessen zu ihrer Familie ein. Er hilft mir auch das notwendige Permit zu organisieren, damit ich nun nach Osten weiterfahren kann.
Jetzt geht die Berg- und Talfahrt erst so richtig los. Auf der Fahrt nach Osten geht nun es fast jeden Tag über eine hohen Pass und danach jeweils wieder weit runter ins nächste Tal. Jedes Tal ist unterschiedlich, einige sind mit Nadelwäldern bewachsen, andere sind so tief, dass ich durch subtropische Wälder fahre wo Affen am Wegesrand spielen und exotische Stimmen aus dem Wald zu hören sind. Die Orte die ich passiere sind alle sehr klein und idyllisch, je weiter ich nach Osten komme desto weniger werden es. Die Fahrt ist ein einziger Traum, allerdings ein sehr anstrengender Traum.
In den 10 Tagen nach Thimpu fahre ich insgesamt 13’000 Höhenmeter. Bis ich dann in der letzen langen Abfahrt wieder runter in die Ebene von Assam zur Grenze fahre.
Bhutan ist kein Shangri La und definitiv kein weltfremdes Land, welches in den Vergangenheit lebt. Moderne Technologien sind verfügbar und werden genutzt. Viele Leute sind gut gebildet und sprechen ausgezeichnet Englisch. Das Land will aber über allem seine kulturelle Identität bewahren. Um nicht von Touristen überrannt zu werden hat man einfach den Preis sehr hoch angesetzt. Umso glücklicher kann ich mich natürlich schätzen, dass ich hier sein durfte.
Was ich in den 3 Wochen sehen konnte hat mich tief beeindruckt. Ich war noch selten an einem Ort wo die Menschen so offensichtlich glücklich schienen und die Natur so unberührt ist. Darum beneide ich die Bhutanesen um ihr Land.