Wenn also schon nicht der Kili, dann steure ich kaum in Kenia auf den Mt. Kenya zu. Bis auf 2000m kann ich mit dem Velo fahren. Dann habe ich schnell einen Guide gefunden, der mich die nächsten Tage auf den Berg begleitet. Dieser liegt ja nur wenige Kilometer südlich des Äquators und der Anstieg ist dementsprechend abwechslungsreich. Erst geht es durch einen dichten Regenwald und später durch ein Moor. Danach ist es eine regelrechte Wanderung durch einen botanischen Garten. Verschieden Aloe-artige Pflanzen, teilweise mehrere Meter hoch säumen den Weg bis auf über 4000m. Unmittelbar unter den eindrücklichen Gipfelfelsen zelte ich für die zweite Nacht. Schon bald aber beginnt es intensiv zu schneien, bis die ganze Landschaft schneeweiss ist! 

Am nächsten Morgen starten wir um 4 mitten in einer sternenklaren Nacht. Praktischen den ganzen restlichen Weg gehen wir nun auf einer geschlossenen Schneedecke. Leider sind aber bald die Wolken da und als wir pünktlich nach 6 auf dem 4895m hohen Gipfel des Point Lenana sind, ist von Sonnenaufgang keine Spur. Dafür ist es -10º kalt und alles ist vereist. Während des Abstieges kann ich dann immer wieder die toller Felswände des nahen Gipfel durch den Nebel sehen. Ich überrede meinen Guide noch am selben Tag gleich den ganzen Abstieg bis nach Naro Moru zu machen (2600Hm). Ich bin fast sicher dass er danach die nächsten Tage noch nicht wieder auf Tour geht…

Um Nairobi (auch Nairobbery genannt wegen seines zweifelhaften Rufes) würde ich am liebsten einen grossen Bogen machen. Doch ich brauche ein Ersatzteil und so fahre ich halt trotzdem in die Stadt rein. Die Fahrt ist dann nicht mal so schlimm. Die Einfahrtstrassen sind so breit (12 Spuren), dass ich immer genug Platz habe. Die dringend benötigte Kassette finde ich dann zum Glück sofort und so bin ich schon bald wieder auf dem Weg raus aus der Stadt. So relativ angenehm die Reinfahrt war, so schlimm ist dafür nun die Rausfahrt. In einer langen Steigung geht es nach Norden und immer mehr in die tief hängenden Wolken rein bis die Sicht fast auf Null ist. Die Strasse besteht nur noch aus Schlaglöchern. Von den überholenden Fahrzeugen werde ich mit Deck bespritzt. Als ich nach 30km dann endlich die Hauptstrasse verlassen kann, bin ich mit den Nerven völlig am Ende.

Hell's Gate ist mal wieder einer der Parks, wo ich mit dem Velo hineinfahren darf. Allerdings sehe ich danach auf der Fahrt um den Lake Naivasha fast noch mehr Giraffen und Zebras. Dass ich mich nun unmittelbar vor dem Äquator befinde würde man nicht unbedingt erahnen. Ich fahre auf Höhen zwischen 2000-2500m bei angenehm kühlen Temperaturen durch den Westen des Landes Richtung Lake Viktoria. Kenia ist ja nach Indien und Sri Lanka der drittgrösste Tee Produzent und hier fahre ich nun durch scheinbar endlose Teeplantagen Richtung Lake Viktoria und der Grenze zu Uganda.

Wieder zurück in Kenia fahre ich nach Eldoret, eine Stadt welche auf angenehmen 2100m liegt. Die Einheimischen nennen die Stadt stolz City of Champions, weil so viele Kenianische Weltklasse Läufer von hier kommen.

Ich komme unter bei einer Kenianischen Familie, den Eltern von Freunden. Hier kann ich auch mein Velo parkieren für die nächsten Tage, denn ich muss noch einmal zurück nach Nairobi.

Fast eine Woche bin ich in Nairobi. 4 Tage lang bin ich damit beschäftigt, kreuz und quer durch die Stadt zu gehen, von einer Botschaft zu nächsten. Als ich die Visa beisammen habe, fühle ich mich erschöpfter als nach einer harten Woche auf dem Velo…

Während ich in der Stadt bin, kann ich bei Freunden übernachten und geniesse es ein temporäres Zuhause zu haben. 

Duncan, ein Velofahrer aus England, ist mir bereits seit vielen Monaten auf den Fersen. In Kitale treffen wir uns dann und beschliessen gemeinsam nach Norden weiter zu fahren. Er ist gerade mal halb so alt wie ich (!), wir verstehen uns aber sehr gut. Es geht zuerst über den Marich Pass ehe die lange Abfahrt Richtung Lake Turkana beginnt. Es hat hier dichte Wälder und schöne Berge. Irgendwann in der Abfahrt nehmen die Schlaglöcher im Belag Überhand, bis schliesslich eine holprige Piste übrig bleibt. Plötzlich kann ich hinter mir gerade noch erkennen, wie ein Lastwagen mit hoher Geschwindigkeit ungebremst direkt auf mich zu rast. Dann wird alles Schwarz.

Als ich mich aus dem Staub aufrichte, sehe ich gerade noch wie der Lastwagen beschleunigt und mit Höchstgeschwindigkeit um die nächste Ecke verschwindet. Dieser Idiot hat mich doch glatt über den Haufen gefahren. Als ich mit meinen Händen an den schmerzenden Hinterkopf greife, komme ich mit blutüberströmten Fingern zurück. Sofort sind ein paar Motorradfahren angehalten und helfen uns. In 20km Entfernung soll es ein Spital geben. Auf dem Rücksitz eines Motorradtaxis und einer Geschwindigkeit bei der ich ernsthafte Sorge habe, gleich nochmals in einen Unfall verwickelt zu werden, fahre ich dahin. Dort wird die Platzwunde an meinem Hinterkopf mit 6 Stichen wieder zugenäht. Der Arzt gibt mir noch etwas Antibiotika und ein Schmerzmittel und verlangt dann 2$ für die Prozedur.

Am nächsten Morgen sehe ich mir den Schaden am Velo an. Auf wundersame Weise ist das Hinterrad und der Rahmen völlig unbeschädigt. Die ganze Wucht es Aufpralles wurde vom Gepäckträger aufgenommen, dessen Streben total gestaucht sind. Das habe ich aber bald wieder zurechtgebogen. Meine Apotheke welche eine superstabile Plastikbox ist, sieht aus als ob ein Panzer darüber gefahren wäre. Ansonsten ist aber alles heil geblieben und langsam aber sicher werde ich mir bewusst wie viel Glück ich da eigentlich gehabt habe. Nach zwei Tagen Pause fühle ich mich wieder fit genug um weiterzufahren.

In Kainuk fahren wir direkt zum Polizeiposten. Dort werden wir freundlichst empfangen und dürfen unsere Zelte auf dem Gelände aufstellen. Vor allem wollen wir aber wissen, wie es um die Sicherheitslage auf der Strecke aussieht. Die folgenden 80km führen durch ein Gebiet in dem immer wieder Banditen ihr Unwesen treiben. Es sei schon länger nichts mehr passiert meint die Polizei. Wir entschliessen uns zu fahren. Am folgenden Tag sehen wir immer wieder Hirten die uns um Wasser und Essen anbetteln. Etwas schwierig zu verneinen wenn alle eine Kalashnikov auf ihren Schulter tragen! Es bleibt aber immer friedlich und wird nie bedrohlich. In einem kleinen Dorf machen wir Pause und essen Chapati. Die Szene draussen vor dem Restaurant ist einfach unglaublich, dutzende von Kindern, Frauen welche so viele Halsketten tragen, bis man den Hals nicht mehr sieht, Männer eingewickelt in bunte Tücher, einen kleinen Hut mit Feder tragend und einem Speer in der Hand. Beide Gruppen, wir die Mzungus (Weissen) und die Einheimischen scheinen gleich fasziniert vom jeweiligen Gegenüber zu sein und eine ganze Weile beobachten wir uns einfach nur gegenseitig.

Als wir den Lake Turkana erreichen, sind wir nur noch auf 400m und die Landschaft ist übergegangen in eine karge Wüste. Die Temperaturen sind raufgeschnellt auf über 40º und nach Mittags ist es in der Sonne kaum noch auszuhalten. Ab hier führt nun eine sandige Piste dem See entlang nach Norden. Wegen der erwarteten Hitze starten wir am ersten Tag noch im Dunkeln im Scheine unserer Stirnlampen. Drei Tage lange fahren wir schliesslich auf dieser Piste, vielleicht etwa ein Drittel der Zeit schieben wir unsere Velos durch den weichen Sand. Die Fahrt ist sehr anstrengend aber absolut faszinierend. Wir passieren unzählige kleine Dörfer welche nur aus diesen einfach geflochtenen Hütten bestehen. In einem Dorf fahren wir auf einen Schulhof. Sofort sind wir umzingelt von hunderten von Kindern. Bald starten alle zu singen und hüpfend um uns zu tanzen. Wir können erst wieder weiterfahren, nachdem der Lehrer die Kindern zurück in die Schule ordert.

Die Vielzahl von traditionell lebenden Völkern hier im Norden Kenias und im angrenzenden Omo Valley ist in ganz Afrika einmalig. Es ist mit Abstand die interessanteste Ecke Afrikas durch die ich bis jetzt gefahren bin. Viele dieser Völker sind untereinander verfeindet. Es geht dabei meist im Weiderechte, Kühe und Wasser. Die Hirten laufen hier alle mit Kalashnikov bewaffnet durch die Gegend. Entlang der Strecke hat es mehrere Missionen wo wir Abends jeweils unterkommen.