Es ist ja nicht das Erste Mal dass ich zu einer langen Reise starte und man könnte meinen, dass es mittlerweile zu einer gewissen Routine geworden ist. Irgendwie ist es dann aber trotzdem immer wieder ganz anders. Diesmal habe ich mich von fast all meinen Sachen getrennt und nur ganz wenig behalten. Ein befreiendes Gefühl, wenn man plötzlich fast all seinen Besitz auf einmal in die Hände nehmen kann und damit zu Bahnhof gehen kann...
Obwohl ich ja schon seit Monaten daran bin, alles bereit zu machen, spitzt sich das dann immer gegen Ende zu. Vieles kann man erst ganz zum Schluss erledigen und alle guten Freunde wollen noch einmal getroffen werden. Wenn es dann losgeht ist das alles wie mit einem Schlag zu Ende, Ruhe kehrt ein. Es kann los gehen...
Ich will wie gesagt in Madagaskar starten. Über Dubai fliegend komme ich dahin. Alles ist problemlos und heil angekommen. OK die riesige Delle am Unterrohr habe ich erst nach ein paar Tagen entdeckt. Na lieber dort als sonst wo.
Ich mag das, am Flughafen ankommen, Velo zusammenbauen und dann gleich in die Stadt reinfahren. Das gibt immer so einen ersten Eindruck vom Land. Der ist erst noch ganz OK, dann aber kämpfe ich mich durch ein unglaubliches Gewühl aus Autos die wenn sie Gas geben mich schlicht in einer schwarzen Wand aus Abgas stehen lassen. Mein GPS scheint mich durch die engsten Gassen aus holprigem Kopfsteinpflaster zu lotsen. Antananarivo, die Hauptstadt Madagaskars liegt auf ca.1200m rund um einen Hügel, also werden die Gassen dann auch noch richtig steil. Als ich mein Hotel gefunden habe bin ich ganz schön erschöpft und erst mal gesättigt mit neuen Eindrücken.
Nach ein paar Tagen Angewöhnen in der Stadt geht es dann los. Es ist aber nicht dieses Gefühl dass ich oft am Anfang einer Tour habe 'Endlich, wieder unterwegs!'. Nicht weil es mir nicht gefällt, die Fahrt aus der Stadt ist einfach viel zu gefährlich als dass ich mich auf irgend etwas anderes konzentrieren könnte als hier heil raus zu kommen. Nach 10km ist der Spuck dann vorbei. Es hat nur noch wenig Verkehr auf den Strassen und sofort ist es sehr ländlich. ich befinde mich ja bereits im Hochland und es geht entsprechend gleich sehr hügelig los. Der erste Eindruck ist sehr gut. Die Madagassen sind unglaublich freundlich. Überall wo ich hinsehe lacht man mir zu. Viele Grüssen mich freundlich, aber auch nicht jeder einzelne - perfekt, ich fühle mich sofort sehr wohl.
Weil ich noch auf ein dringendes Paket warten muss, mache ich erstmal nur einen kleinen Abstecher zum Park von Andasibe. Ich fahre jetzt auf der besten und am stärksten befahrenen Strasse von Madagaskar, aber der Verkehr hält sich in Grenzen. Unglaublich viele Leute sind immer zu Fuss entlang der Strasse unterwegs und es hat auffallend viele Velofahrer. Landschaftlich startet es so wie kaum erwartet hätte: Es hat viele Reisfelder neben der Strasse. Dazwischen geht es immer mal wieder durch einen Nadelwald.
Der Park von Andasibe ist vor allem bekannt wegen der Indri. Es ist die grösste Lemuren Art die hier leben. Als ich am Morgen im Zelt erwache tönt es als ob der Feueralarm losgegangen sei. Das ist der markante Ruf der Indri. Während 2 Tagen mache ich Wanderungen in den Wäldern um die Indri, einigen andere Lemuren, Chamäleons und viele andere kleinere Tiere zu entdecken.
Die erste Strecke die ich mir ausgesucht habe ist bereits ganz schön gesalzen. Im stetigen Auf und Ab geht es über das Hochland und über eine 60km lange Baustelle wo ich immer wieder unmöglich steile Rampen hochfahren muss. Als dann die Baustelle zu Ende ist, folgt ein traumhafte Piste. Holprig aber gut fahrbar und immer wieder durch kleine Dörfer mit diesen lustigen Häusern: Rot wie die Erde aus der sie gemacht sind, kleiner Grundriss, aber doppelstöckig und mit Grasdach. 'Salut vazaha' (Weisser) tönt es, sobald ich in ein Dorf fahre und dieser Ruf verbreitet sich dann wie ein Buschfeuer durch den ganzen Ort. Motorisierten Verkehr hat es so gut wie keinen mehr. Dafür umso mehr Zebu-Karren, Radfahrer und vor allem Fussgänger. Die Leute gehen hier oft riesige Distanzen zu Fuss und mit grossen Lasten auf dem Kopf tragend. Bis auf über 2000m komme ich so hoch und zwischen den Feldern hat es immer wieder Kiefern-Wälder.
Als ich Miandrivazo erreiche koche ich fast über. Kein Wunder bei 36º im Schatten. Es soll der heisseste Ort Madagaskars sein. Doch jetzt habe ich erstmal Pause. Ab hier verlade ich das Velo und mich in ein pirogue (Einbaum) und fahre zusammen mit zwei Bootsmännern den Tsiribihina Fluss runter. Drei Tage lang ist das einzige Geräusch das Plätschern der Paddel im Wasser und die Vogelstimmen am Ufer. Abends zelten wir auf einer Sandbank und essen Fisch aus dem Fluss und tagsüber gibt es jede Menge Tiere zu beobachten. Starten tun wir inmitten einer trockenen Savannen-Landschaft, dann geht es durch die Tsiribihina Schlucht und kurz bevor wir die Westküste erreichen habe ich fast das Gefühl dass wir in West-Australien angekommen sind: Rote Erde, Termiten-Hügel, Busch und dann natürlich die Boab Bäume. Der Eindruck ist dann aber schnell wieder vergessen sobald wir die ersten Dörfer erreichen. Es sind drei geniale Tage durch ein anderseits fast unerschlossenes Gebiet.
Nach dem Fluss mache ich noch einen Abstecher ohne Velo zu den Tsingy. Eine eindrucksvolle Karstlandschaft aus messerscharfen Felsen und labyrinthartigen Spalten und Schluchten dazwischen.
Die Baobab dominieren ab jetzt die Landschaft. Diese Bäume sind einfach grossartig und stehen richtiggehend Spalier entlang der Strasse. Am eindrucksvollsten natürlich entlang der Alleé des Baobabs. Bei Morondava erreiche ich dann erstmals die Küste und geniesse ein paar Tage in dem kleinen Küstenort.
Mit einem Taxi-brousse (Buschtaxi) geht es wieder zurück ins Hochland. Hier sind die Temperaturen wieder deutlich angenehmer zum Velofahren. Es ist eine einzigartige Landschaft hier, die oft eher an Indonesien erinnert mit den vielen Reisfeldern die an den Hängen angelegt wurden. Wären da eben nicht diese mehrstöckigen Häuser die dann wieder eher Europäisch aussehen. Die Landschaft wird dann langsam aber sicher flacher, dafür hat es nun viele grosse Granitfelsen die aus der Ebene ragen - sieht toll aus.
Im Parc national d'Andringitra liegt der Pic Boby, mit 2658m der zweithöchste Gipfel Madagaskars. Die Anfahrt dorthin alleine ist sensationell. Eine Traumpiste mit allerdings ein paar ganz happigen Steigungen führt durch dieses tolle Tal vorbei an kleinen Dörfern, Reisfeldern und Granitfelsen. Mit Jeannot, einem Guide, besteige ich dann in zwei Tagen den Gipfel. Leider regnet es ziemlich oft und auf dem Gipfel ist es eisige 5º kalt, trotzdem ist es eine tolle Tour.
Von einem Tag auf den Anderen ist die Landschaft nun übergegangen in eine weite, flache Savanne. Dürres hohes Gas leuchtet in der Sonne und die Distanzen zwischen Ortschaften sind deutlich länger geworden. In diesem Gebiet leben vor allem die Bara welche Zebus züchten. Beim Parc National de l'Isalo parkiere das Velo wieder und gehe mit einem Guide während 3 Tagen auf eine Wanderung. Der Park besteht aus einen grossen Sandsteingebirge welches sich zu vielen Gipfeln und engen Canyons formt. In diesen hat es immer wieder tolle Pools und Wasserfälle, ideal im sich wieder abzukühlen nach den Wanderungen über die heissen Hochebenen. Der Park ist toll und während den ersten 2 Tagen treffen wir keinen Menschen und es gibt viele Pflanzen und Tiere zu entdecken.
Mit jedem Tag den wieder näher an die Küste komme wird es wieder heisser. Ich fahre nur noch am Morgen dafür starte ich jeweils bereits vor 5 Uhr. In Toliara erreiche ich dann wieder die Küste. Einen Strand gibt es hier aber noch nicht, dafür muss ich noch 30km nach Norden fahren. Also eher schieben, denn die Piste dahin führt mitten durch die Dünen und besteht eigentlich nur aus Sand, tiefem Sand. Dann aber bin ich in Ifany, einem kleinen Fischerdorf mit einigen Unterkünften und Bungalows angekommen. Ein paar Tage lang geniesse ich den tollen Strand und esse haufenweise leckeren Fisch.
Auf dem Rückweg Richtung Norden mache ich noch einen Abstecher an die Ostküste. Es ist eine abwechslungsreiche Fahrt von der Hochebene runter in einen tropischen Urwald. Unglaublich grün ist das hier alles. Die Hütten in der Dörfern bestehen nun aus Bambus und stehen auf Stelzen. Entlang der Strasse türmen sich die exotischen Früchte die hier wachsen: Papaya, Mango, Litschis, Durian und einiges das ich gar nicht kenne. Doch wirklich bekannt ist die Ostküste dafür, dass hier Kaffee, Pfeffer und vor allem Vanille wächst.
Mit dem Taxi-brousse geht es wieder zurück nach Tana. Eigentlich waren die 2 Monate viel zu kurz für diese riesige Insel. Etwas wehmütig verabschiede ich mich von Madagaskar. Dieses Land, vielmehr diese immer fröhlichen, netten Leute hier haben es mir richtig angetan. Ich werde die 'Salut vazaha' Rufe vermissen aber ich freue mich natürlich auch auf Neues, denn Morgen verlasse ich die Insel mit dem Flieger nach...