Als erste Strecke will ich hier in Namibia entlang des Fish River Canyon fahren. Im Moment ist es hier aber heiss, brutal heiss und da ist gute Planung angesagt für die nächsten Etappen. Genug Wasser dabei haben, das ist klar. Aber noch viel wichtiger ist das Timing. Um 13:00 darf ich unter keinen Umständen mehr auf der Piste sein. Am Nachmittag wird es jetzt hier regelmässig um die 48º. So starte ich denn jeweils noch vor 6 am Morgen. Die ersten 20 Minuten noch mit Stirnlampe, danach ist es genug hell, dass ich die Schlaglöcher sehen kann. Diese ersten Stunden am Morgen sind einfach wunderbar. Es herrschen jetzt noch recht angenehme Temperaturen und wenn dann die Sonne kommt und die ganze Landschaft um mich herum in helles Orange taucht ist es einfach magisch, wunderschön. Diese Farben der sandigen Wüste und der kargen Bergketten sind unmöglich zu beschreiben. In diesen frühen Stunden kann ich auch immer viel Wild sehen: Springböcke und Kudus. Allzu leicht könnte man vergessen, dass das hier in wenigen Stunden die reinste Hölle sein wird. Bis um 10:00 ist es recht angenehm und danach wird es schnell heiss. Das Wichtigste aber überhaupt: ich muss unbedingt irgendwo ankommen, bei einem Zeltplatz, einer Lodge etc. Um jeden Preis. Hier draussen in der Wüste, ohne jeden Schutz zu campieren ist im Moment schlicht nicht möglich.
Am ersten Tag auf der Fahrt nach Ai Ais, klappt das nicht schlecht und ich verbringe danach fast den ganzen Nachmittag im wunderschönen Pool der heissen Quellen auch wenn hier im Moment eher kalte Quellen gefragt wären. Die 70km und 1000Hm auf sandiger Piste nach Hobas schaffe ich nicht ganz im vorgesehenen Zeitraum. Eine Beschreibung wie ich dort dann angekrochen komme, erspare ich euch. Wieder einigermassen erholt geht es am nächsten Tag zu den Aussichtspunkten des Fish River Canyons.
Die Vegetation ist hier nun sehr dünn. Es hat meist nur noch wenig Büschelgras und kaum Bäume. Die Bäume die es aber hat sind dafür umso schöner. Es sind Köcherbäume, eigentlich keine Bäume sondern eine Aloe Pflanze werden aber bis zu mehreren Metern hoch mit einem massiven Stamm. Um Keetmanshoop, der ersten Stadt die ich in Namibia erreiche hat es besonders viele dieser Bäume.
Von der 200km langen guten Asphaltstrasse von Keetmanshoop nach Westen bis Aus wird mir vor allem der unbarmherzige Gegenwind in Erinnerung bleiben der mich zwei sehr lange Tage lang quält. Dann aber verlasse ich das schwarze Teerband für längere Zeit. Auf einer tollen Piste geht es erst durch die Trias Berge. Ich fahre nun immer am Rande der Namib Wüste entlang nach Norden. Und kaum sehe ich auch schon die erste Sanddüne in der Ferne wechselt die Farbe der Piste auf Feuerrot. Gar nicht gut, denn das heisst Sand, weicher Sand. Schon bald bin ich im Schiebe-Gang und mit zusätzlichen 16 Litern Wasser und Essen für 14 Tage ist mein Velo definitiv in die Kategorie der Schwerlaster gefallen.
Die Farbe der Piste wechselt dann wieder auf Grau und damit die Beschaffenheit zu knüppelhartem Waschbrett. Aber wenigstens bin ich wieder fahrend unterwegs. Die Gegend durch die ich fahre ist schlicht gigantisch. Auf der einen Seite stetig wechselnde Gebirgszüge und auf der Anderen die roten Sanddünen. Dazwischen weite Ebenen mit Büschelgras. Das Beste aber sind die Tiere. Jeden Tag sehe ich hunderte davon, grosse Herden Springboks, Klipspringer, Oryx, Kudus, Strausse, Schakale, Zebras. Einfach grossartig, ich kann mich kaum satt sehen.
Nach 5 Tagen komme ich gut durchgeschüttelt in Sesriem an. Hier hat es eine Strasse runter zu den Dünen der Namib Wüste. Es ist die einzige asphaltierte Strasse im Umkreis mehrerer hundert Kilometer, aber genau die darf ich nicht fahren, weil sie im Nationalpark ist. Naja, lasse ich halt für einmal das Velo ruhen und mache es mir auf dem klimatisierten Rücksitz eines Mietwagens mit französischem Piloten gemütlich. Zum Sonnenaufgang steige ich auf die hohen Sanddünen von Sosslusvlei und kann nur noch staunen ob der Welt die sich da unter mir auftut: soweit das Auge reicht diese feuerrot leuchtenden Dünen die sich in eleganten Linien bis an den Horizont fortsetzen. Zwischen den Dünen hat es Salzebenen mit surreal wirkenden abgestorbenen Bäumen.
Wieder zurück in der Welt des (mehr oder weniger) festen Untergrund dürstet mich nach Wasser, nach all dem Sand und Hitze der letzten Tage. In den Naukluft Bergen soll es genau das geben. Also fahre ich als nächstes dahin. Tatsächlich sitze ich 2 Tage später tatsächlich in einem herrlichen Quellwasser Pool umgeben von rot leuchtenden Bergen in denen sich viele Berg-Zebras tummeln.
Um von der Wüste nach Windhoek zum kommen gibt es verschiedene Pässe. Jedesmal wenn ich jemanden nach dem Spreetshoogte Pass frage, verwerfen diese wild gestikulierend die Arme. Kein Wunder, es ist mit 22% Steigung der zweitsteilste Pass in Namibia. Und natürlich kann ich es nicht lassen, genau da hoch zu fahren. Dank dem ausnahmsweise guten Belag mit Pflastersteinen in den steilsten Passagen komme ich sogar fahrend da hoch.
Wenn es in Afrika eine saubere und gut organisierte Stadt gibt, dann ist das Windhoek. Die deutsche Vergangenheit lässt sich nicht leugnen. Sie hat zu meiner Freude auch noch ein perfekt ausgeschildertes Strassennetz, Bäckereien gutes Bier und Wurstwaren hinterlassen. Nachdem ich bereits die 10'000km Marke überschritten habe, gönne ich dem Velo einen neuen Antrieb (Kette, Kassette, Kettenblatt) und bin dann aber schon bald wieder zurück auf den Pisten, ehe sich die Reifen an den Stadt-Asphalt gewöhnen können.
Über den Gamsberg Pass geht es wieder runter in die Wüste. Bisher bin ich ihr ja meist entlang gefahren, jetzt aber geht es geradewegs quer hindurch. 20 liter Wasser bunkere ich für die lange Fahrt. Mitten drin soll es einen schönen Platz zum Zelten haben. Aber das sind 98km. 98km auf sandiger Piste, bei Gegenwind durch die Wüste ist weit, eigentlich viel zu weit. Nach 50km habe ich bereits das Gefühl meine Batterien sind leer. Ich fahre aber weiter, was soll ich auch jetzt hier mitten am Nachmittag in der Wüste das Zelt aufstellen. Die letzten 10km fahre ich definitiv im roten Bereich. Jetzt hilft nur noch Zucker. Eine Packung Gummibärchen ist meine Rettung und irgendwann taucht dann tatsächlich mitten aus dem Sand ein Felsen auf. Wow, was für ein Platz. Etwa 50m erhöht mit grandioser Sicht auf die endlose Weite und unter einem etwa 5m langen Felsüberhang kann ich das Zelt im Schatten aufstellen.
An Tagen wie diesen frage auch ich mich manchmal, Wieso?. Wieso jetzt genau durch diese Wüste, gegen den Wind, bei dieser Hitze und überhaupt. Am Abend mache ich ein grosses Lagerfeuer, sitze daneben und schaue hinaus in die Wüste, wie sie sich verfärbt beim Sonnenuntergang, dann dunkel wird bis schliesslich dieser unglaubliche Sternenhimmel erscheint - besser als jeder Kinofilm. Diese Momente sind es, deshalb mache ich es!
Nördlich von Swakopmund schiesst ein markanter Berg mitten aus der Savanne: die grosse Spitzkoppe, ab und zu auch das Matterhorn Afrikas genannt. Matterhorn ist zwar etwas gar weit hergeholt, aber der Berg, der aus einem massiven roten Granitfelsen besteht sieht schlicht genial aus. Einen ganzen Tag lang kraxle ich über und unter den Felsen die wie gigantischen Murmeln rund um den Berg verstreut sind hindurch und entdecke immer wieder Neues.
Etwas habe ich ja bisher noch kaum gesehen hier in Namibia: Menschen! Im südlichen Teil wo ich bisher war leben nur ganz wenige weisse Farmer, sonst niemand. Erst jetzt im Norden tauchen auch ab und zu kleine Dörfer auf. Ich fahre durch das Damaraland. Die Damara haben vielleicht die eigenartigste Sprache, die ich bisher je gehört habe. Sie besteht vor allem aus sog. Klick-Lauten die fast unmöglich nachzuahmen sind.
Twyfelsfontein ist eine der bedeutendsten Fundorte von Felsmalereien in ganz Afrika. Hier hat es über viele Felsen verteilt viele Zeichnungen vor allem von Tieren, alle zwischen 4000 - 6000 Jahre alt.
Entlang der Strasse treffe ich immer wieder auf kleine Himba Siedlungen. Die Himba sind ein halbnomadisches Volk welches hier im Kaokoveld lebt und zwar noch so wie sie es schon seit Generationen getan haben. Die Frauen machen sich mit einer Paste aus Fett, Kräutern und Erde welche sie in die Haare schmieren aufwendige Frisuren. Sieht fast aus wie Dreadlocks.
So langsam verabschiede mich von der Wüste. Die letzten Tage sind noch einmal sehr anstrengend. Es geht über einige Berge auf schlechten Pisten und die Hitze ist mal wieder unbarmherzig. Den eindrucksvollen Schlusspunkt setzt der Joubert Pass mit einer zum Schluss so steilen Rampe, wo ich sogar im Schiebegang kaum hoch komme. Nach Wochen in der Dürre kommen mir die ersten spärlichen Bäume vor wie dichter satt-grüner Wald.
Als ich in Opuwo einfahre ist mein erster Gedanke: jetzt bin ich in Afrika! Überall Leute, laute Musik und ein kunterbuntes Durcheinander. Im Supermarkt steht man hier Schlange mit barbusigen Himba Frauen, bekleidet nur mit Schmuck und einer Leder-Schürze, Herero Frauen in ihren aufwendigen Trachten und modern gekleidete in engen Jeans - absolut einmalig die Mischung! Zu meiner Überraschung gibt es dann noch einmal 90km Piste als Zugabe. Dann aber erreiche ich in Ruacana, an der Grenze zu Angola, nach über 6 Wochen und mehr als 2300km auf Schotter, Sand und Staub wieder den Beginn der Asphaltstrassen.
Als ob es noch Argumente brauchte, wieso man besser diese schlechten Strassen nehmen sollte, werde ich ungefragt mit solchen überhäuft in den folgenden Tagen: Die 500km bis Tsumeb sind eigentlich nur topfeben, schnurgerade und ziemlich langweilig.
Die Strasse nach Grootfontein ist auf der Karte ein einziger gerader Strich. An dessen Ende, nach 250km erreiche ich den Okavango Fluss, der erste richtige Fluss seit dem Grenzfluss mit Südafrika! An dessen Ufer hat es ein paar tolle Zeltplätze wo ich mich erhole. Es ist hier am Wasser wunderbar grün und Abends im Zelt hört man die Hippos im Fluss. Bei den Popa Falls verlasse ich dann die Hauptstrasse und fahre zur Grenze nach Botswana runter.