Johannesburg in Südafrika, hier geht die Reise weiter. Nach der Ankunft in der Metropole heisst die erste Mission: 'möglichst unbeschadet aus der Stadt raus'. Im Nordosten habe ich auf meiner Karte Berge entdeckt und relativ kleine Strassen die dahin führen. Also geht es zuerst dort hin.
Velofahren und dann sogar noch auf einer öffentlichen Strasse scheint hier völlig unbekannt zu sein und dementsprechend gefährlich reagieren auch die meisten Fahrer. Bald bin ich aus der Stadt und in landwirtschaftlichem Gebiet, welches dominiert wird von vielen grossen Farmen und weiten Feldern. Dann tauchen diese Berge tatsächlich auf. und wie. Ich fahre über mehrere über 2000m hohe Pässe bis ich beim Blyde Canyon ankomme. Mit dem Dezember hat hier nun der Sommer und damit die Regenzeit begonnen. Meist kommt der Regen in heftigen Gewittern welche Nachmittags fallen und kurz danach ist es bereits wieder schön. Also kein grösseres Problem wenn ich zur richtigen Zeit gerade einen Unterstand finde. Natürlich klappt das nicht immer und so werde ich ein paarmal ordentlich durchgespült...
Nach Swaziland gibt es viele Grenzübergänge, ich suche mir den aus, der auf der Karte am abgelegensten aussieht. Schon bei der Anfahrt sehe ich was mir da bevorsteht: Hinter Barberton formieren sich die Berge zu einer regelrechten Wand. Da drüber muss ich nun. Die Leute in der Goldminenstadt haben nicht zu viel versprochen, die Steigung zum Saddleback Pass ist brutal steil. Zum Glück hat es so gut wie keinen Verkehr, so kann ich mich mit weiten Schlangenlinien hoch mogeln. Dann wird es voraus immer dunkler und die Show geht los: Ich bin schon bald umgeben von brandschwarzen Wolken und es blitzt und donnert rund um mich herum. Ich fahre durch tiefen dunklen Wald und ab und zu fallen bereits ein paar Tropfen auf die Strasse welche dampft als ob jemand vergessen hat die Herdplatten abzustellen. Eine unglaublich düstere, gespenstische Stimmung, als ob ich direkt in die Hölle fahre. Auf dem Pass ziehe ich fast den Kopf ein um unter den tief hängenden Wolken durchzukommen. Ich kann noch etwas runter fahren und einen geschützten Platz suchen ehe der Himmel die Schleusen öffnet.
Als mich am nächsten Morgen der Zöllner fragt, wo ich heute noch hin will, nenne ich die Hauptstadt Mbabane welche noch 70km entfernt liegt, worauf dieser einfach nur gerade heraus lacht. Als ich 8 Stunden später und mit 2400 Höhenmeter auf dem Tacho dort ankomme weiss ich warum. So etwas habe ich ja noch selten erlebt. Einer super steilen Abfahrt folgt eine super steile Steigung, ununterbrochen. Flach das existiert hier im Norden von Swaziland nicht. Die Landschaft aber ist grandios. Holzwirtschaft ist hier im Norden ganz gross und so fahre ich ständig durch weite Wälder. Die Täler sind jetzt unglaublich grün. Vor Mbabane fahre ich noch am Siebe Rock vorbei. Es soll der grösste Granit Felsen sein, weltweit.
Tier Reservate gibt es ja in Afrika jede Menge und für die meisten Touristen sind Safaris eine der Hauptattraktionen hier. Mit dem Velo darf ich da natürlich meist nicht hinein fahren. Hier in Swaziland gibt es aber ein paar Parks wo ich genau das tun kann und da lasse ich mich natürlich nicht zweimal bitten. Es ist einfach absolut genial mit dem Velo über diese weiten Ebenen zu fahren während links und rechts die Zebras, Antilopen, Warzenschweine, Gnus und was weiss ich noch alles grasen. Im Hlane Park sehe ich dann sogar bereits meine ersten Elefanten, Rhinos und Hippos. Zurück in Südafrika fresse ich Kilometer auf dem für einmal rel. flachen Weg entlang der Küste nach Durban wo ich erstmals die Zehen in den Indischen Ozean halte.
Mein nächtes Ziel sind die Drakensberge. Das Warmup startet gleich bei der Stadtausfahrt von Durban. Während ich über die immer grüner werdenden Hügel Richtung Underberg fahre, ab und zu an einem Wald entlang, sehe ich voraus die Felsenkette näher kommen. Der Sani Pass ist mit 2845m der höchste Pass Südafrikas und über diesen will ich nach Lesotho einreisen. Der Pass ist vor allem deshalb berühmt, weil die Piste die da hoch führt sehr steil und ruppig ist.
Nicht dass ich noch eine zusätzliche Herausforderung brauchte, aber weil ich in Lesotho keine Supermärkte wie in Südafrika erwarte habe ich meine Taschen noch zusätzlich mit kalorienreichen Goodies vollgestopft. So ausgerüstet geht es los. Der Pass hält was er verspricht und fordert mich ganz schön. Ich kann tatsächlich den grössten Teil fahren doch die letzten engen Spitzkehren sind dann zu ruppig und steil und ich muss schieben. Oben auf dem Pass ist 'das höchste Pub Afrikas' wo ich prompt von den Zuschauern die mich die Spitzkehren haben hochkommen sehen und noch immer ihren Augen nicht trauen, zu einem Bier eingeladen werde.
In einer kleinen Hütte ist der Zoll von Lesotho und dann betrete ich eine andere Welt. Keine Zäune mehr, keine Bäume, nur endlose weite Hochebenen und Berge. Lesotho: das 'Kingdom in the Sky', das höchste Land der Welt (!) , eine Enklave vollständig umgeben von Südafrika, Dreiviertel so gross wie die Schweiz. Diese Attribute reichten aus, dass ich mich wie auf kaum ein anderes Land auf dieses gefreut habe. Ich werde nicht enttäuscht und bin vom ersten Moment an begeistert. Nach dem ersten Staunen geht es dann aber auch gleich richtig los. Eine brutal steile und holprige Piste führt mich auf einen 3245m hohen Pass. Das soll aber erst Anfang gewesen sein. In den nächsten Tagen folgt ganz einfach eine Steigung nach der Anderen und jede einzelne ist sehr steil.
Die ersten Menschen die ich treffe sind Hirten. Eingehüllt in ihre Decken und mit Skimasken welche nur Mund und Augen freigeben sehen sie erst fast etwas düster aus. Doch sobald ich ihnen zuwinke bekomme ich ein breites Lachen zurück. Die Basotho sind ein stolzes Volk von Hirten und Reitern. Auf ihren Ponys kommen sie überall hin in dieser gebirgigen Gegend. An exponierten Hängen stehen ihre kleinen Bergdörfer welche aus Rondavels, Rundhütten mit Strohdächern, bestehen. Fahre ich durch ein solches Dorf, komme ich aus dem Grüssen und Winken gar nicht mehr raus.
Die nächsten Tage sind für mich wie ein einziger Traum. Auf einer anspruchsvollen aber gut fahrbaren Piste fahre ich über unzählige Pässe und Anhöhen vorbei an idyllischen Dörfern quer durch das Land. Auf der Strasse treffe ich mehr Reiter als Motorfahrzeuge. Nach 4 Tagen erreiche ich erstmals eine asphaltierte Strasse. Lesotho ist ja nicht gerade mit Rohstoffen gesegnet. Was aber reichlich vorhanden ist, ist Wasser. Dieses wird im Rahmen eines grossen Projektes genutzt. Einige grosse Staudämme wurden errichtet und als Nebeneffekt entstanden einige gute Strassen.
Wenn ich hier vor etwas so richtig Respekt habe, dann die Sommer-Gewitter die jetzt fast täglich auftreten. Immer ab Mittag türmen sich die Wolken zu hohen Türmen, bis sie fast schwarz sind und dann blitzt und donnert es derart heftig, dass einem Angst und Bange wird. Jedes Jahr werden einige Hirten von diesen Blitzen getötet. Gleich am ersten Abend kriege ich eine erste Warnung. Nach dem Blitz und Donner, hagelt es bis die ganze Wiese flächendeckend weiss ist. Danach regnet es derart heftig, bis mein Zelt unter Wasser steht, weil dieses in der Wiese nicht mehr abfliessen kann. So zelte ich denn hier nicht, wie sonst üblich, auf den Pässen, sondern frage meisten in den Dörfern ob ich mein Zelt neben den Hütten aufstellen kann. In den grösseren Orten kann ich in sog. Farmer Training Centers übernachten.
Im Westen, in der Nähe der Hauptstadt Maseru gibt es dann für einen halben Tag lang so etwas wie die einzige flache Strecke ehe es auch gleich schon wieder los geht. Zurück nach Osten folge ich nun dem Orange River durch einen tollen Canyon. An Silvester zelte ich kurz vor der Grenze. Am Abend habe ich mein eigenes Feuerwerk in Form eines heftigen Gewitters mit Blitz und Donner. Nach dem anstrengenden Tag bin ich aber um 20:00 bereits im Tiefschlaf. Am Neujahrs Tag überquere ich dann nach 12 Tagen am Qacha's Neck die Grenze und bin zurück in Südafrika mit zugegeben etwas müden Beinen. Auf den 700km die ich durch Lesotho gefahren bin, habe ich nicht weniger als 16'000 Höhenmeter zurückgelegt…
Ich gebe es zu, hier in Südafrika brauche ich etwas länger um mich wirklich wohl zu fühlen. 19 Jahre nach Abschaffung der Apartheid ist Südafrika heute nicht mehr zweigeteilt nach Rassen, dafür umso mehr nach Klassen. Das Gefälle zwischen Reich und Arm ist riesig. Jede Stadt durch die ich fahre besteht aus zwei Welten. Da sind einerseits die gepflegten Häuser und Einkaufszentren der Reichen und dann nicht weit davon, die Townships wo die Armen ist einfachen Hütten leben. Jedes Grundstück ist abgesichert wie eine militärische Anlage. Vor allem dieses unmittelbare aufeinandertreffen dieser beiden so unterschiedlichen Klassen habe ich so noch nicht erlebt.
Im Moment fahre ich entlang der Wild Coast durch das ehemalige Homeland der Transkei. Es ist eine der ärmsten und wirtschaftlich am schwächsten entwickelten Regionen. Die Dörfer liegen weit verstreut über die endlosen Hügel welche nun wunderbar grün mit dem regelmässigen Regen. Interessanterweise fühle ich mich gerade in dieser Gegend besonders wohl, sind doch die Leute ausgesprochen freundlich. Nach all den Bergen tanke ich wieder Energie an einigen der tollen Sandstrände der Wild Coast.
Die Sunshine Coast macht ihrem Namen ganz und gar keine Ehre. Dass ich durch East London bei Nieselregen durchfahre passt ja irgendwie noch aber auch danach ist es immer wieder Nass. An den schönen Tagen leuchtet dafür das Grün umso intensiver und die Wälder werden immer dichter. Ich habe bald den Rhythmus raus, so dass ich bei Nieselregen fahre und bei schönen Wetter die tollen Strände geniessen kann.
Die Berge nördlich der Küste sind nun immer grösser geworden bis ich es nicht mehr aushalte und mich von der Küste verabschiede. Ich fahre über einen Pass ins Landesinnere und innerhalb weniger Kilometer bin ich in einem völlig anderen Klima. Hier ist es jetzt im Sommer heiss und staubtrocken. Oudtshoorn ist die selbsternannte Straussen-Hauptstadt. Seit 1860 werden die Tiere hier gezüchtet, als die Federn noch soviel Wert waren wie Gold. Diesen Reichtum sieht man der Stadt heute noch an. Heute werden sie vor allem zu Biltong verarbeitet. Das sind typische getrocknete Würste und die perfekte Radler-Nahrung zum Mitnehmen schlechthin. Anstelle von Kühen tauchen dann auf den Feldern auch tatsächlich bald grosse Herden von Straussen auf.
Als ich das erste Mal von 'The Hell' gehört habe, wusste ich sofort, dass ich da unbedingt hin musste. Es ist ein kleines, abgeschiedenes Tal mitten in den Swartberg Mountains, erreichbar nur über eine Piste vom Swartberg Pass. Zuerst einmal muss ich also auf den Swartberg Pass fahren. Ein Klasse Pass mit einer alten, tollen und holprigen Strasse, die in vielen Serpentinen steil zum höchsten Punkt führt. Kurz davor zweigt die Strasse nach 'The Hell' ab. 50km lang geht es jetzt zwischen den kahlen Bergen durch ein faszinierendes, menschenleeres Tal. Mehrmals kann ich Wild beobachten. Aber der Haupt-Fokus liegt auf der Piste, denn die ist ruppig und sehr steil. Ganz zum Schluss dann stürzt die Strasse regelrecht runter in ein Tal auf nur noch 300m rundherum umgeben von kahlen, hohen Bergen - The Hell. Als ich da so im Schritttempo runter holpere habe ich nur einen Gedanken: wie um Alles in der Welt komme ich hier je wieder hoch?
Ich stelle das Zelt auf und mache mich dann auf die erfolgreiche Suche nach einem kühlen Bier, welches ich im Kühlschrank eines der wenigen Farmer die hier im Tal leben finde. Als ich wieder beim Zelt zurück bin sehe ich schon von Weitem das Unglück: Baboons (Affen) haben mein Zelt überfallen und auf der Suche nach Essen all meine Ausrüstung über den ganzen Platz verteilt. Das Loch im Innenzelt (zum Glück stand nur das) habe ich schnell wieder zugenäht und die verlorenen Esswaren kann ich verschmerzen. Aber dass die Viecher dann ausgerechnet meine wertvollen Malaria-Pillen fressen mussten nehme ich ihnen richtig übel.
In der Hölle wäre ich also jetzt. Aber wie komme ich hier wieder raus? 2000Hm muss ich raufklettern und es wird wohl wieder über 40º heiss werden Morgen. Noch im Schein der Taschenlampe packe ich meine Sachen am nächsten Morgen zusammen und fahre noch im Dunkeln los. So kann ich die schlimmsten Steigungen noch fahren ehe die Sonne da ist. Irgendwie komme ich dann sogar diese unglaublich steilen Rampen mit losem Geröll hoch. Einmal auf über 1000m ist die Sonne dann da und brennt schon bald erbarmungslos aber ein kühlender Wind macht die Sache erträglicher. Um Mittag habe ich den Swartberg Pass erreicht. Die Aussicht auf die weiten Ebenen (Great & Little Karoo) rundherum ist eindrücklich. Als mich ein paar andere Touristen fragen, wo ich denn heute herkomme, grinse ich sie an 'From Hell !'
In den nächsten Tagen fahre ich auf tollen Naturstrassen und über einige Pässe quer durch die Little Karoo - perfekt zum Velofahren hier. Es geht vorbei an viele kleinen Höfen und kleinen Dörfern. Die Zeit scheint hier etwas langsamer zu gehen.
Der nächste Gebirgszug heisst Warmwaterberg, das tönt ja schon mal vielversprechend. Und tatsächlich sitze ich am nächsten Tag in einem Hot Pot und lasse meine müden Muskeln durchkochen. Nicht aber bevor ich mir noch ein Bier in Ronnie's Sex Shop gegönnt habe. Ein weit herum bekanntes Unikum von einem Pub wie es sie nur an Orten wie hier oder im Australischen Outback, wo es einfach etwas zu heiss zum klar Denken ist geben kann.
Bei stürmischem Wind und gefährlicher Schräglage segle ich runter zum Cape Angulhas, dem südlichsten Punkt des Afrikanischen Kontinentes. Hier treffen der Atlantik und der Indische Ozean aufeinander. Sehen tut man natürlich nicht viel aber das Wasser ist nun deutlich kälter geworden. Kein Wunder jetzt kommt es ja auch direkt von der Antarktis.
In den nächsten Tagen fahre ich durch die Weingebiete hier in der Gegend: Franschhoek, Stellenbosch etc. bevor ich langsam aber sicher zum Kap komme. Ich fahre aber nicht direkt nach Cape Town rein, sondern fahre auf einer schönen Küstenstrasse rund um die Halbinsel, runter zum Kap der Guten Hoffnung ehe ich mitten in der Stadt lande. Die Städte hier in Südafrika sind ja meist nicht sehr sehenswert, die Zentren oft heruntergekommen und schmutzig. Cape Town ist da die schöne Ausnahme. Eine wirklich tolle Stadt wo ich ein paar velofreie Tage verbringe, die Stadt erkunde und meine Batterien wieder auflade.
Mit frischer Energie geht es nun in eine neue allgemein Richtung: Nach Norden. Ich will aber nicht so schnell wie möglich dorthin sondern lasse mir reichlich Zeit. Zuerst geht es Richtung Cederberge. Kurz davor fahre ich durch endlose Früchte-Plantagen. Das Highlight ist aber die Fahrt durch die Cederberge selbst. Auf einer tollen Piste mit reichlich steilen Pässen geht es zwischen den Gebirgszügen durch, vorbei an bizarren Felsformationen und kargen Tälern. Ich befinde mich jetzt hier wohl in der Vorheizphase für Namibia. Die Temperaturen sind auf jeden Fall bereits am oberen Limit des Ertragbaren, sprich etwa 40º.Die Cederberge sind übrigens die Heimat des Rooibosh Tee. Weltweit nur hier werden diese roten Büsche angepflanzt und zu Tee verarbeitet.
Die Hauptstrasse nach Norden, die N7 meide ich weiterhin und fahre statt dessen auf meist tollen Pisten über viele Pässe im Zick-Zack in die selbe Richtung. Übernachten tue ich nun immer öfters auf Höfen meist Weingute oder solche mit Früchte-Plantagen. Nach Nuwerus ist dann aber fertig mit den Abstechern, jetzt führt nur noch die N7 nach Norden. Die Landschaft wird jetzt mit jedem Tag karger, einsamer und trockener. Die letzten Tage vor der Grenze geht es noch durch ein tolles Gebirge mit schönen Granitfelsen.
Springbok ist der letzte grössere Ort vor der Grenze und bevor es dahin geht mache ich noch einmal einen Pausentag und fülle meine Vorratstaschen auf. Hier nach fast genau 5 Monaten treffe ich doch tatsächlich zum ersten Mal auf dieser Reise einen anderen Reiseradler. Ich hatte schon fast befürchtet ich sei der letzte dieser Spezies. Die letzten 40km sind definitiv die einfachsten die ich in ganz Südafrika hatte: in einer schönen, langen Abfahrt geht es runter zur Grenze am Orange-River.