Neun Monate ist es ja bereits her, seit ich von meiner langen Reise zurück gekehrt bin, höchste Zeit mal wieder für ein paar Wochen mit dem Velo unterwegs zu sein. Ladakh & Spiti habe ich als Ziel für diese Reise ausgesucht. Vor 22 Jahren (!) war ich erstmals hier. Da bin ich natürlich besonders gespannt darauf eines meiner allerersten Reiseziele wieder zu sehen.

Erstmal muss ich aber ein neues Velo haben, weil ich ja das Letzte von San Francisco nicht mehr nach Hause genommen habe. Ich entscheide mich diesmal für ein ganz anderes Velo ein (Touren-) Mountain Bike und auch beim Gepäck probiere ich etwas Neues aus: Bikepacking nennt sich das so schön Neudeutsch. Alles dazu hier.

Um 7 Uhr Morgens lande ich auf dem Militärflughafen in Leh. Wie immer sind die ersten Meter wackelig, weil das schwere Velo noch ungewohnt, das Gepäck nach dem Flug noch nicht optimal gepackt und ich mich bereits auf 3300m Höhe befinde. Es ist bereits Mitte September und genau wie ich erhofft hatte, ist es wunderbar ruhig in Leh, nur noch wenige Touristen sind hier. Ich nehme mir ein paar Tage Zeit, mich an die Höhe zu gewöhnen und organisiere inzwischen das notwendige Permit ehe es los geht.

Als erstes will ich zu einem grossen Bergsee, dem Tso Moriri fahren. Dazu geht es erstmal längere Zeit dem Indus entlang. Der Indus ist ja ein Fluss, dem ich auf meinen Reisen immer wieder begegne, immer aber in einem anderen Land. Zuerst in Pakistan, auf dem Karakorum Highway und der Fahrt nach Skardu, dann in Tibet kurz vor seiner Quelle auf dem Weg zum Kailash und dann eben hier in Ladakh in Indien. Die Fahrt hier erinnert mich vor allem wieder stark an jene in Pakistan. Es ist wieder diese felsige, enge Schlucht. Auf längerer Strecke ist es kaum möglich zu zelten, so eng ist es. Schliesslich verbringe ich die Nacht bei einem Strassenarbeiter Camp. Die Strassenarbeiter hier im Norden kommen ja fast alle aus Kerala, dem Süden Indiens. Unter unglaublich einfachen Umständen arbeiten & campieren sie jeweils entlang der Strassen. Sie freuen sich natürlich ob der Abwechslung.

Schliesslich verlasse ich die felsige Schlucht und es geht über einen ersten hohen Pass. Auf der anderen Seite komme ich zum See. Ein fantastischer Anblick mit all den verschneiten Bergen im Hintergrund. Über einen sehr ruppigen Pass durch ein dafür umso einsameres, schönes Hochtal geht es zurück zum Tso Kar und damit zum Leh-Manali Highway. 

Ich war ja vor allem auch gespannt wie sich Ladakh verändert hat in der langen Zeit. Der grösste Hauptunterschied ist vor allem, dass es heute viele indische Touristen hat, offenbar ausgelöst durch einen sehr populären Bollywood-Movie und die Armee-Präsenz welche massiv zugenommen hat, wie überall im Norden Indiens. Zu meiner Freunde haben sich aber die Strassen kaum verändert. Auf den wenigen flachen Abschnitten ist man zwar dran diese auszubauen, aber besonders  die Abschnitte über die hohen Pässe sind kaum anders als dazumal. Kein Wunder, die Streckenführung durch all diese steilen Geröllhänge hat zur Folge, dass sie praktisch jedes Jahr neu gebaut werden muss weil sie immer wieder durch zahllose Erdrutsche verschüttet wird.

Der spektakulärste Pass auf dem Weg nach Süden ist wohl der Lachulung La. Beim Aufstieg bis auf über 5000m fährt man durch ein faszinierendes Hochtal, flankiert von mehreren 100m hohen senkrechten in die Höhe reichenden Granitpfeilern. In der Abfahrt geht es dann bei den Gata Loops auf endlos scheinenden Spitzkehren einen unmöglich steil und ausgesetzten Berghang runter.

Nach dem Baralacha La habe ich Ladakh verlassen und bin nun in Lahaul. Hier sieht es fast so aus wie in den Alpen. Es ist nun deutlich grüner und im Hintergrund hat es tolle Gletscherberge.

Bei Darsha startete früher eine bekannte Trekking Route nach Zanskar. Vor 13 Jahren hatte ich dieses Trekking gemacht. Bereits damals hatte man damit begonnen eine Strasse auf der Route zu bauen. Ich habe keine Ahnung wie weit die Strasse bereits fertig ist, nur dass sie sicher noch nicht fertig ist. Als ich bei dem Ort vorbei fahre reizt mich spontan die Idee mit dem Velo zu versuchen bis zum ersten Pass hoch zu fahren.

Die Strecke wird ziemlich schnell recht anspruchsvoll. Sie sieht von der Qualität her etwa so aus, wie wenn ein Bulldozer einen Geröllhang hoch gefahren ist. Dieser Anstieg hat es ganz schön in sich. Aber jetzt wo ich einmal unterwegs bin, ist mein Ehrgeiz natürlich angestachelt. Ich will da unbedingt hoch. Nur dank dem Mountain Bike und dem wenigen Gepäck kann ich hier die ganze Strecke hoch fahren. Als ich den 5091m hohen Shingo La erreiche bin ich aber total ausgepumpt. Die Sicht auf die tollen umliegenden Gletscher bedeckten Berge war es aber auf jeden Fall wert.

Vor dem Rothang Pass verlasse ich die Hautroute und fahre Richtung Spiti Valley. Um dorthin zu kommen geht es zuerst über den Kunzum La. Ich kann mich noch gut erinnern als ich diesen Pass vor 22 Jahren gefahren bin. Die Strasse war in einem furchtbaren Zustand, 75km eine heftig holpernde Piste.

Kaum bin ich auf der Strasse habe ich ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Die Piste ist noch immer genau so schlecht. Es ist auch mal schön zu sehen, dass es Dinge gibt, die sich nicht verändern.

Das Spiti Valley ist ein weiteres Stück Tibet in Indien. Es ist ein unglaublich trockenes Hochtal. Nur das Schmelzwasser der umliegenden Gletscherberge sorgt für etwas grün im Tal. Es hat noch deutlich weniger Bewohner Ladakh, nur ganz wenige kleine Dörfer gibt es im Tal.

Im ganzen Tal verteilt hat es aber ein paar bedeutende Gompas (buddhistische Klöster). Das Erste und wohl bekannteste Kye. Es liegt so, wie man sich eine Gompa vorstellt: wie ein Adlerhorst auf einem ausgesetzten Felsen. Die Blicke von da Oben in das weite Tal sind atemberaubend. Ein Mönch führt mich durch das ganze Kloster und zeigt mir alles ganz genau ehe ich noch zum Tee eingeladen werden.

Die nächste Gompa ist in Dankhar. Wieder heisst es 500Hm in engen Spitzkehren hoch zu klettern um sie zu erreichen. Die eigentliche Attraktion ist hier aber nicht das Kloster, sondern der Ort selber. Unglaublich wie die hier die Häuser ineinander verkeilt am super steilen Berghang gebaut haben. 

In Tabo ist bereits wieder eine Gompa. Von aussen sieht sie überhaupt nicht spektakulär aus. Nicht wie üblich diese weissen Wände sondern erdfarben, eher an eine Kasbah in Marokko erinnernd. Die Gompa ist aber über 1000 Jahre alt, die älteste im ganzen Himalaya! Die Türen zu den Tempeln sind alle ganz niedrig. Drinnen ist es ganz dunkel, nur durch ein kleines Loch in der Decke fällt etwas Licht ein. Im ersten Moment sehe ich gar nichts. Ich setzte mich hin und warte. Nach etwa einer Minute haben sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Wow, und dann tauchen sie auf aus dem Dunkeln, diese Wandmalereien. Absolut faszinierend. Ich habe ja inzwischen unzählige buddhistische Klöster besucht, aber das hier, das ist einzigartig, etwas vom Besten dass ich bisher gesehen habe. Ich sitze lange da und bewundere die Malereien.

Das Spiti Valley wird nun immer enger bis es eine eigentliche Schlucht wird. Irgendwann ist es dann so eng, dass auch die Strasse keinen Platz mehr hat. So klettert diese dann halt über einen Bergrücken ins nächste Tal rüber. 

Der letzte Ort im Spiti Valley wo ich übernachte ist Nako. Ein Ort wie aus einer anderen Zeit. Es besteht aus eng ineinander verbauten kleinen Häusern aus aufgeschichteten Steinen. Dazwischen hat es labyrinthartige  Wege um viele Mani Mauern und Chorten. Das Beste aber sind die Bewohner. Unglaublich freundlich und vor allem die älteren Menschen haben ausnahmslos alle herrliche Charakter Gesichter - einmalig.

Schliesslich erreiche ich den Sutley Fluss. Sutley? Klar, wenn ich jetzt hier nur 100km dem Fluss entlang folgen würde, wäre ich bereits in Tsaparang, mitten im ehemaligen Guge Königreich, wo ich vor einigen Jahren durchgefahren bin. Wären da blos keine Grenzen...

Durch das Kinnaur Tal folge ich nun dem Sutley. Langsam aber sicher wird es wieder grüner. Hier  werden viele Äpfel angepflanzt welche jetzt genau reif sind. Es dauert denn auch nicht lange, kriege ich bereits welche geschenkt von Leuten entlang der Strasse. Nach mehreren Wochen wo es kaum frische Früchte gab, ein besonderer Genuss. Die Ortschaften werden nun langsam aber sicher grösser, der Verkehr nimmt zu, es wird allgemein chaotischer auf und neben der Strasse. Kurz es wird einfach indischer.

Beenden tue ich diese Reise in Shimla einer klassischen indischen Hill-Station. Hier geniesse ich noch ein paar ruhige Tage, ehe es mit dem Bus zurück nach Delhi geht.