Luzern, 12. September 2004

Seit ein paar Tagen darf ich meine gebrochene Schulter wieder belasten und Velofahren :-) Ich bin also wieder fleissig am trainieren und werde am 28. September nach La Paz fliegen.

Calama, 2. Oktober 2004

Nach einem langen Flug bin ich am Donnertag in aller Fruehe in La Paz gelandet. Gleich am nächsten Morgen geht's weiter mit dem Bus. Als ich beim Terminal mein Velo abstelle, um auf den Bus zu warten, spricht mich einer an, ich solle es doch etwas verschieben, damit man die dortige Türe besser öffnen kann. Noch während ich das tue, ahne ich, was hier passiert: Als ich mich umdrehe, ist der Rucksack bereits verschwunden! Das darf doch nicht wahr sein. Im Rucksack ist die Kamera, der Schlafsack, warme Velohosen, alle Karten & GPS. Die Tour koennte gelaufen sein, noch ehe sie begonnen hat...

Ich gehe zu den Polizisten, die in der Halle sind und erzähle, was passiert ist. Diese schwärmen sofort aus. Ich ärgere mich, mit einem so blöden Trick bestohlen worden zu sein. Nach 10 min. kommt er mit einem breiten Grinsen und meinem Rucksack in der Hand zurück! Wie er das wohl gemacht hat...? Ich bin überglücklich!

Die Fahrt durch den Lauca-Park ist wie immer wunderschön; das Wetter prachtvoll. Doch aus dem Bus kommt es mir vor, wie ein kurzer Vorfilm über das, was mich in den nächsten Wochen hoffentlich erwartet. In Arica bade ich kurz die Füsse im Pazifik und beobachte am Hafen die Pelikane und Seelöwen, ehe es bereits weiter geht.

Heute habe ich endlich Calama, den Ausgangsort meiner Tour erreicht. Ich habe bereits Berge von Proviamt gekauft und werde Morgen Richtung el Tatio losfahren...

San Pedro de Atacama, 5.Oktober 2004

Bei der Stadtausfahrt bläst mir gleich ein starker Wind entgegen und zwingt mich aufs kleinste Kettenblatt. Nach Chiu Chiu verlasse ich die Hauptstrasse. Doch welch freudige Überraschung: In den letzten 2 Jahren hat man diese Piste ausgebessert. Es hat nun einen hartgepressten Erdbelag, der fast so gut ist wie Asphalt. Nun geht es also raus in die Atacama-Wüste. Die Sonne brennt brutal. Unglaublich, diese Stille hier. Nur ab und zu ein leises plätschern... Wie bitte? Hab ich jetzt schon die erste Fata Morgana? Des Rätsels Lösung ist eine parallel zur Piste verlaufende Wasserpipeline! Das ist natürlich fies hier in dieser absoluten Trockenheit. 

 Da heute Sonntag ist, hat es einige Fahrzeuge unterwegs. Fast alle hupen oder rufen. Einer hält an, fragt wohin ich gehe, wünscht mir Glück und streckt mir eine Dose Bier entgegen - Chile! 

 Langsam aber stetig steigt die Piste an. Die Lunge pfeift, die Beine brennen. Nun merke ich schmerzlich das verpasste Training im Sommer. Doch diesmal habe ich keine Ambitionen, möglichst schnell und weit zu fahren. Ich will in eine schöne Strecke fahren und sehen, ob mit der Schulter alles wieder OK ist. 

 Am nächsten Tag geht die schöne Piste leider zu Ende. Die Anstiege werden immer steiler und verlangen jedes mal einen enormen Kraftaufwand. Auf 3800m erreiche ich das Altiplano. Hier ist sie wieder, diese einmalige Farbkombination des golden/bronce leuchtenden Ichu-Grases mit dem tiefblauen Himmel, die es nur hier gibt. 

 Allmählich ahne ich, dass ich heute mit der Kondition und dem schweren Gepäck, den Pass nicht mehr erreiche. Doch damit gerät meine Wasserversorgung in Probleme. Ich musste ja das ganze Wasser von Chiu chiu unten mit transportieren, weil es hier absolut nichts gibt. Noch einen Liter habe ich. Ich entscheide mich, das nächste Auto anzuhalten und zu fragen. Bei 3 Autos pro Tag habe ich Glück, dass gerade noch eins auftaucht. Ich kann den Leuten eine grosse Flasche Limo abbetteln und bin riesig froh. Das wäre sonst eine ungemütliche Nacht geworden... Auf 4200m, kurz unterhalb des Passes lasse ich es für heute sein und stelle mein Zelt gleich neben der Piste auf. 

 Am nächsten Morgen ist es nicht mehr weit bis zum Pass auf 4500m. Jetzt nur noch runter nach San Pedro. Denkste! jetzt gehts erst richtig los: Zuerst eine schnelle Abfahrt auf 4100m. Hier hat es zum ersten mal Wasser. Das satte Grün sieht herrlich aus in dieser trockenen Gegend. Kurz darauf passiere ich einen Polizei-Posten. Er erzählt mir von 2 möglichen Routen: eine steilere und eine längere. Dass man auf der längeren 5 mal furten muss, sagt er mir aber nicht... Doch die Farbspielereien am Bach sind Entschädigung genug, für nasse Füsse. Nun führt die Piste wieder bergauf. Sie ist aber ein einziger Sandkasten und mir bleibt bald nichts anderes übrig als zu schieben. Schliesslich schleppe ich das Velo wieder bis auf 4500m. 

 Nun aber runter. Bis auf 4100m geht es recht zügig. Doch dann macht die Strasse überraschend einen U-turn: es geht wieder den Berg hoch. Die Strasse ist komplett versandet, ich kann keinen Meter fahren. Hinter jeder Kuppe hoffe ich, dass die Abfahrt beginnt. Stundenlang schleppe ich mich so hoch, bis ich schon wieder 4400m erreicht habe. Jetzt geht es aber definitiv runter. Die Piste wird auch gleich etwas besser und ich kann fahren. Auf der 2000 Höhenmeter langen Abfahrt wechseln sich Waschbrett und gute Piste ab. Doch nun stoppt mich nichts mehr; ich brettere wie ein Irrer über alles hinweg: Ich will nur noch runter nach San Pedro und dort ein kühles Bier geniessen... 

San Pedro de Atacama 6. Oktober 2004

Ein Espresso zum Frühstück, dazu Musik von Maná; ich muss sagen hier in San Pedro lässt sich leben. Unglaublich, was aus dem verschlafenen Nest, dass ich vor 9 Jahren besucht habe, geworden ist.

Ich mache heute hier einen Tag Pause, fülle meine Vorraete wieder auf und starte dann Morgen Richtung Bolivien (Laguna Verde).

Laguna Colorado, 10. Oktober 2004

Von San Pedro aus sieht man auf dem kahlen Hang bereits die Strasse zum Paso Jama hoch. Bis auf 4600m fahre ich auf dieser asphaltierten Strasse hoch, ehe es links rein nach Bolivien geht.

An der Laguna Blanca hat es eine kleine Unterkunft in der ich bleibe, ehe es am nächsten Tag so richtig los geht. Zuerst zur Laguna Verde. Dank dem hohen Bleigehalt ist diese tatsächlich grün. Am frühen Morgen spiegelt sich der Vulkan Licancabur herrlich im ruhigen Wasser. Die Landschaft ist phantastisch. Zu Beiden Seiten leuchten die Berge in den tollsten Farben, weil der Boden reich an Mineralien ist. An der Laguna Chalviri schlage ich mein Zelt auf. Nicht nur weil es hier so schoen ist, nein, hier hat es heisse Quellen. Es gibt nichts besseres nach einem anstrengenden Tag Velofahren auf staubiger Piste, als das Bad in einer 35°C warmen Quelle: göttlich!

Am nächsten Tag steigt die Piste zum höchsten Punkt bei Sol de Manana an, auf 4950m. Schon bald sehe ich in der Ferne die Laguna Colorado. Bis hier war die Strecke eigentlich erstaunlich gut. Doch die letzten 16km zum Campamento sollen fürchterlich werden. In Gedanken eigentlich schon am Ziel, werde ich überrascht von einer schrecklich holprigen Sand- & Waschbrett-Piste. Am Abend geniesse ich dafür ein Bett im Campamento und trinke ein Bier mit den vielen Touristen die hier mit Jeep-Touren unterwegs sind.

Chiguana, 13. Oktober 2004

Mein Velo gleicht bald einem kleinen Feuerwehr-Löschfahrzeug: 18l Wasser fahre ich spazieren fuer die nächsten trockenen 160km, welche ich in 3 1/2 Tagen zu schaffen hoffe.

Nach der Laguna Colorado besteht die Piste nur noch aus Vulkan-Asche. Velofahren wird schwierig oder oft unmöglich. Am ersten Tag schaffe ich gerade mal 37km (in 6h).

In der offenen Wüste führen hunderte von Spuren in die gleiche Richtung. Wenn der Sand mal wieder zu weich und tief ist, so dass ich schieben muss, wechsle ich die Spur, in der selten erfüllten Hoffnung, dass es nebenan besser ist.

Es geht vorbei am Árbol de Piedra, einem grossen Felsen, der frei erodiert wurde und nun einem Baum gleicht. Immer wieder werde ich neugierig beobachtet von Vincuñas. Wovon die wohl leben hier..?

Nach 2 Tagen Wüste sind die Augen wohl empfindlicher fuer Farben. Der Weg führt an 4 Lagunen vorbei. Eine schoener als die andere! Bei der Laguna Hedionda schlage ich mein Nachtlager auf. Tausende von Flamingos bevölkern den See. Ein phantastisches Schauspiel!

Dann zückt die Piste noch einmal alle Register ihrer Grausamkeiten: Sand, Waschbrett und zu guter Letzt wird ein halber Steinbruch daraus. Die Gegend wird allmählich wieder grüner. Vizcachas hoppeln in Deckung wenn ich angefahren komme. Am rauchenden Vulkan Ollague vorbei und einem erstarrten Lavastrom entlang treffe ich schliesslich bei Chiguana auf das erste Dorf seit San Pedro.

Oruro, 16. Oktober 2004

In der grossen Ebene, in der die Eisenbahn von Uyuni Richtung Chile fährt, kann man seine eigene Spur ziehen. überall ist der Belag aalglatt. Welche Wohltat nach all dem Gerüttel. Am nächsten Tag geht es auf den Salar de Uyuni. 45km sind es bis zur Isla Pescada (Inkawasi), einer Insel mitten im Salar. Leider blaest mit ein starker Wind entgegen, und so komme ich nur mässig schnell voran auf der spiegelglatten Salzoberfläche unterbrochen nur von den hexagon-förmigen Rändern.

Auf der Insel suche ich mir einen ruhigen Ecken fuer mein Zelt. Es kommt richtig Robinson Crusoe Stimmung auf, als ich da so in meiner Bucht sitze! Nur dass das Weiss keine Schaumkronen der Südsee sind, sondern Salz.

Auf der Insel ist alles Messerscharf: natürlich die unzähligen riesigen Kakteen (die z.T. älter als 1200 Jahre sein sollen) und zum andern die Felsen, die alle mit Korallen überzogen sind. (war ja einst ein Meer hier, ehe der Boden angehoben wurde und nur das Salz und die Korallen zurückgeblieben sind). Besonders bei Sonnenuntergang ist die Stimmung grandios.

Weiter geht es Richtung Norden, noch einmal 40km über den Salar. Dann folgen noch einmal 2 Tage auf unbequemen Strassen, ehe ich nach 650km wieder Asphalt unter den Rädern habe. Zur Feier des Tages gibt es als Zugabe noch ein Thermal Bad in Pazña vor dem Endspurt nach Oruro.

La Paz, 26. Oktober 2004

Die Strecke von Oruro nach La Paz will ich mit dem Bus zurücklegen. So toll ist die nun nicht mehr, zudem bin ich sie schon mehrmals gefahren. Als ich mich nach den Bussen erkundige, erfahre ich, dass wegen Protesten mal wieder die Strassen blockiert werden. Ich wundere mich nicht gross. Wäre ja auch der erste Bolivien-Aufenthalt ohne Strassenblockaden gewesen. Einen Tag später fahre ich dann mit einem Bus, der die Blockade umfährt nach La Paz.

Es gibt ja keine bessere Akklimatisation, als eine mehrere Wochen dauernde Velotour auf über 4000m! Also gönne ich mir zum Abschluss noch den Huayna Potosi (6088m), gleich hinter La Paz. Zusammen mit Thomas, einem Franzosen und Eloy unserem Berführer geht es am Samstag los. Eloy erkennt schnell, dass wir beide recht fit sind und sprintet mit uns am ersten Tag in einer Stunde (normal 3) zum Basecamp auf 5150m. Dafür geniessen wir dann dort einen ruhigen Nachmittag.

Nach wenig Schlaf starten wir am nächsten Morgen um 2:00. Es windet etwas, dafür haben wir eine sternenklare Nacht. Der Marsch über den Gletscher ist einfach und so kommen wir regelmässig voran, obwohl Thomas Magenprobleme hat. Bald sehen wir in der Ferne unter uns das grosse Lichtermeer von el Alto. Die letzten 150Hm sind dann doch noch etwas knackig. Die 45-50° steile Gipfelflanke ist recht eisig und kostet einiges an Kraft auf über 6000m. Perfektes Timimg: Minutengenau zum Sonnenaufgang stehen wir auf dem schmalen Gipfelgrat und geniessen eine sensationelle Aussicht.

Kurz nach Mittag sind wir zurück in La Paz, wo ich erstmal schlafen gehe, ehe wir am Abend zur Feier des Tages gut essen gehen.