Australien, genauer gesagt Darwin! Hier werde ich meine Reise fortsetzen. Nicht mehr Asien, ich weiss und Berge hat es hier schon gar kein, weiss ich auch, dafür reichlich Outback und dirt roads.
Ich decke mich erstmal mit den wichtigsten Utensilien für Australien ein: gute Karten, Mückenschutzmittel, Sunblocker, Velohelm (hier ist Helmpflicht für Velofahrer), Visaverlängerung und reichlich Essen und Wasser. Dann geht es gleich los in die ersten Nationalparks: Litchfield und Kakadu.
Hier im tropischen Norden ist Moment Trockenzeit und Hochsaison. In der Nähe von Darwin ist es noch recht warm und feucht auch in der Nacht. Das wird aber nur wenige Tage südlich bereits viel angenehmer. Es hat hier überraschend viele Flüsse und Wasserfälle. Ich habe aber schnell gelernt, dass man nicht einfach in jede Pfütze springen darf: hier hat es jede Menge Krokodile! Ab und zu wenn ich da so verschwitzt an einem solchen Wasserloch ankomme ist das schon hart, wenn man den blos ansehen darf. Vor allem aber im Litchfield NP hat einige tolle Krokodil-freie Pools.
Ich wundere mich immer wieder woher dann all das Wasser überhaupt kommt und erfahre dass dieses in der Regenzeit im Überfluss fällt, dann Unterirdisch in diesen Sandsteinfelsen gespeichert und in der Trockenzeit langsam wieder freigegeben wird.
Zwischen diesen Wasserfällen fahre ich meistens durch eine Savannen Landschaft welche oft über hunderte Kilometer gleich aussieht. Von China kommend bin ich ja grosse Distanzen gewohnt, aber hier sind die Dimensionen noch einmal extremer. Das wird mir bewusst als ich meine ersten tausend gefahrenen Kilometer auf der Karte ansehe: es ist schlicht Nichts auf diesem riesigen Kontinent und kaum sichtbar!
Da ich zu Beginn oft in Parks unterwegs bin, zelte ich Abends meist auf offizielen Zeltplätzen. Jeden Abend treffe ich spannende Leute, habe interessante Gespräche und werde oft zum Essen eingeladen. Ich geniesse das ungemein, denn nach 15 Monaten Asien wo ich meist eher mit Händen und Füssen kommuniziert habe freue ich ich mich auch mal wieder etwas tiefergehende Gespräche führen zu können.
In Katherine treffe ich Adam und Nicole. Ich habe sie vor gut 4 Jahren in der Türkei kennengelernt. Auch sie waren viel unterwegs in der Zwischenzeit, wohnen nun aber seit Kurzem hier und ich darf ein paar Tage bei ihnen verbringen. Ich geniesse es für kurze Zeit ein zu Hause zu haben mit einem weichen Bett, Kühlschrank und mit guter Gesellschaft.
Nach Katherine drehe ich nach Westen. Darüber bin ich ganz schön froh, denn bisher hatte ich ganz schön mit dem Wind zu kämpfen. Nun aber ist es ein angenehmer Rückenwind und wenn ich den Einheimischen glauben darf, dann sollte das noch ein paar tausend Kilometer so bleiben. Mal sehen, ich will es nicht verschreien.
Ein erster Vorgeschmak auf die Dimensionen hier? Gut 500km sind es bis Kununurra und dazwischen hat es blos ein Roadhouse und ein kleines Nest mit 300 Einwohnern!
Die Vegetation wird nun bald trockener und am Viktoria River hat es einige tolle rot leuchtende Felsen. Die ersten Boab Bäume tauchen auf. Das sind diese lustigen Bäume die aussehen, als ob sie verkehrt rum eingepflanzt worden sind, mit der Wurzel nach oben. Einfach wunderschön mit ihrem überdimensionalen Baumstämmen.
Vor Kununurra erreiche ich Western Australia. Wer hat denn gesagt, dass es auf diesem Kontinient keine Grenzen gibt? Hier nimmt man es auf jeden Fall genauer als an den meisten Staatsgrenzen die ich bisher überquert habe, denn frische Früchte und Gemüse dürfen hier nicht über die Grenze.
Meine Zeltnachbar kann nicht glauben, dass ich die 6 grossen Tüten mit denen ich Gestern vom Supermarkt zurückgekommen bin auch noch in meinen Taschen untergebracht habe. Ich habe ganz schön Proviamt gebunkert: 14 Tage will ich auf der Gibb River Road unterwegs sein und es gibt unterwegs nur 2 kleine Läden.
Wie viele Strassen in Australien hat auch dieser seinen Ursprung im Vieh Transport. Heute ist es eine der am meisten befahrenen dirt-roads welche mitten durch die Kimberleys führt.
Bevor ich aber überhaupt auf der Gibb River Road bin, lege ich schon mal ein paar Extra-Schlaufen ein sozusagen der Prolog... Da habe ich doch noch einen interessanten Track gefunden, der direkt ab Kununurra los geht. Diese erste Route wird auch gleich zu einem Highlight. Es hat null Verkehr und ich kann oft viele Tiere, vor allem Vögel beobachten. Die Landschaft ist einfach Klasse: Rot leuchtende Felsformationen im Hintergrund, Boab-Bäume, Busch und hohes, helles Gras. Auf einem Abschnitt gibt es eine Abkürzung: in der Trockenzeit kann man quer über das ausgetrocknete Sumpfgebiet fahren. Sensationell, wie auf einem Salzsee nur dass es hier eben braun ist. Die letzen Kilometer bevor ich auf die Gibb River Road stosse werden aber immer schlechter und schliesslich muss ich dann noch 15km durch tiefen Bull-dust schieben.
Eine der Australischen Besonderheiten ist ja, dass es hier so gut wie keine Erde gibt. Das hängt vor allem damit zusammen dass dieser Kontinent geologisch gesehen ziemlich inaktiv war in den letzten paar Millionen Jahren. Australischer Boden ist eigentlich immer sandig. Folgedessen sind Australische Naturstrassen immer sandig, seltener steinig. Der Zustand Australischer dirt roads reicht also zwischen Schotter und hartgepresstem Sand (sehr gut) über Wellblech in allen Variationen und Grössen bis zu Bull-dust (Knöcheltiefer Staub der meist darunterliegende Löcher und Steine versteckt) und richtig tiefem weichen Sand (unfahrbar). Je nach der Wichtigkeit der Strassen werden diese ab und zu mit dem 'Grader' wieder glattgebügelt. Wie gut oder schlecht eine Strasse ist hängt also vor allem damit zusammen wie viel Verkehr es hat und wann das letzte mal der Grader durchging.
Hier auf der Gibb River Road ist nun eher Ende der Saison und das sieht man dem Belag deutlich an.
Auf den 800km führt die Strasse vorbei an vielen Flüssen. Die meisten fliessen jetzt in der Trockenzeit nicht mehr, haben aber viele Wasserlöcher hinterlassen. Ich kann es so einrichten, dass ich jeden Abend an einem solchen Wasserloch campieren kann und dadurch immer ein erfrischendes Bad geniessen kann am Nachmittag.
Die Szene als ich das erste Roadhouse erreiche wäre Werbefilm-reif. Wie ich da auf der holprigen, staubigen Strasse angefahren komme, reingehe und dann genüsslich ein Glacé auf der Veranda verspeise. Endlich wieder mal was Kühles!
In regelmässigen Abständen hat es etwas abseits der Hauptroute jeweils Schluchten. Sie sind die eigentlichen Highlights dieser Strecke. In fast allen dieser Schluchten hat es einen herrlichen Wasserfall mit Pool, gefüllt mit kristallklarem, kühlem Wasser. Die Strasse führt ab und zu auf eine kleine Anhöhe rauf und offeriert dann jeweils diese fantastischen Blicke in diese scheinbar unendlich weite Wildniss.
Auch am westlichen Ende der Gibb River Road drehe ich noch eine Zusatzschlaufe, kann so viele Süsswasserkrokodile sehen und fahre danach an tollen Karstfelsen entlang.
Dann wird die Fahrt auf einem Mal wieder ruhiger. Besonders der letzte Abschnitt war sehr schlecht und ermüdend. Doch die noch fehlenden 350km auf Asphalt bis zur nächsten Stadt empfinde ich als deutlich mühsamer mit den endlos langen Geraden.
In Broome treffe ich auf die Westküste. Hier mache ich ein par Tage Pause und geniesse den weiten Strand vom Cable Beach und die kulinarischen Angebote der Stadt.
Der nächste Streckenabschnitt sieht schon auf der Karte eintönig aus: die 600km bis Port Hedland. Das erste Roadhouse und damit Trinkwasser liegt ganze 300km weiter. Solch gigantische Strecken ohne Wasser gibt es wahrlich nur hier in Australien. Vollgetankt fahre ich los und muss bald feststellen dass ich auch noch gegen einen sehr starken Gegenwind fahren muss. Es sind anstrengende, lange Tage. Weil es mittlerweilen sehr heiss wird am Nachmittag und in der Frühe der Wind noch weniger stark ist, starte ich jeweils vor 6 und mache dann um Mittag eine lange Pause. Abwechslung bietet die Strecke nicht, sogar die Autofahrer beklagen sich über die Monotonie. Ich freue mich jeweils auf den Abend. Dann suche ich mir einen schönen Platz im Busch. Dieses intensive australische Rot kommt bei untergehender Sonne noch viel besser zur Geltung. Nach Sonnenuntergang liege ich vor meinem Zelt, geniesse diese absolute Stille und kriege nie genug davon, in diesen unglaublichen Sternenhimmel zu schauen.
Ich freue mich als sich am südlichen Horizont endlich wieder Hügel erkennen lassen - die Pilbara. Ich verlasse die Küstenstrasse und auf einer sandigen Piste geht es in den Millstream Nationalpark. Die Konturen am Horizont haben nicht getäuscht, ich fahre rund um tolle Felsformationen und in den Schluchten hat es wieder erfrischende Wasserlöcher.
Die roten Felsen haben es vermuten lassen: in der Gegend hier werden viele Bodenschätze abgebaut. Einer der eher unerfreulichen Orte ist Wittenoon. Hier wurde bis in die 70er Jahre Asbest abgebaut ¨Schliessen Sie an windigen Tagen die Fenster¨ lese in einer Broschüre. Na Danke für den Tipp...
Als nächstes geht es in den Karijini Nationalpark. Die Anfahrt ist noch relativ unspektakulär. Doch die Highlights sind hier unten in den vielen Schluchten die es im Park hat. Ich mache ein paar geniale Wanderungen durch die Schluchten wo es ganz zum Schluss nur noch schwimmend durch die 1m breite Schlucht geht - absolut sensationell. Danaben hat es viele Wasserfälle und herrliche Pools zum schwimmen. Genau der richtige Ort um mal eine Pause einzuschalten.
Nach diesen Parks wird die Fahrt vor allem wieder durch eines dominiert: die schiere Dimension dieser Gegend. Ich habe mich daran gewöhnt, dass die Distanzen zwischen Wasserstellen 200-300km und jene zwischen Supermärkten 500-600km betragen. in der Praxis heisst das, dass ich nie einen Wasserhahn verlasse ohne 20 - 30(!) Liter des kostbaren Gutes getankt zu haben.
Belohnt werde ich dafür mit Fahrten durch scheinbar endlose Weiten, wo der Horizont kein Ende zu haben scheint und tolle Camps im Busch wo Nachts rundherum die Dingos heulen.
Bei Coral Bay erreiche ich dann wieder mal die Küste. Vor dieser Küste liegt das Ningaloo Reef, quasi das Great Barrier Reef von West Australien. Auch schnorchelnd kann ich eine bunte Vielfallt von Fischen beobachten die in den Korallen zuhause sind und schwimme zusammen mit Wasser-Schildkröten.
Der Wind ist schon seit einiger Zeit mein ständiger Begleiter, windstille Tage gibt es kaum. Im Landesinnern kam dieser abwechselnd immer mal wieder von Vorne oder von Hinten. Jetzt nun aber wo ich der Westküste nach runter fahre legt er nochmal einen Zahn zu, vor allem aber ist es nun ein konstanter Gegenwind.
Seit 2 Tagen fahre ich nun schon auf dieser schnurgeraden, endlosen Gerade genau gegen den Wind und wie ich auf der Karte gesehen habe soll bald eine Kurve kommen. Es sind nur etwa 20° die die Strasse abdreht, aber es ist das Ereigniss des Tages und bringt tatsächlich die erhoffte spürbare Erleichterung.
Die entgegenkommenden Leute warnen mich alle, dass es noch kalt und nass sei in Perth, also beeile ich mich nicht und mache zwischen den langen einsamen Strecken immer wieder Abstecher runter an die Küste. Diese bietet alles mögliche. Von den weissen Sandstränden und Korallenriffen am Ningaloo Reef, über einsame Strände mit Dünen und Busch, bis zu der spektakulären Felsenküste bei Kalbirra.
Nördlich von Geraldton ändert dann die Landschaft abrupt. Die Buschlandschaft mach nun weiten Wiesen und Feldern Platz. Es ist ja im Moment die Zeit der Wildblumen-Blüte. Überall hat es unzählige Blumen und die weiten Wiesen leuchten in den buntesten Farben. Allerdings wird mir dann auch schnell klar warum hier plötzlich alles so grün ist: zum ersten Mal seit Monaten regnet es wieder!
Ich verbringe noch einige Nächte an der Westküste. An weiten, menschleeren Stränden, zwischen weissen Sanddünen, an schönen Süsswasser-Pools am Fluss und schliesslich noch bei den Pinnacles, einer roten Sandwüste mit unzähligen bizarren Kalksteinformationen.
Perth gilt als die abgelegenste Grosstadt der Welt. Niemand kann das besser bestätigen als ein Velofahrer, der hierher gefahren ist! Das Attribut Grosstadt glaubt man allerdings erst, wenn man wirklich im Zentrum ist. Denn aussenrum ist Perth vor allem eine riesige Ansammlung von Einfamilienhäusern. Ich kann ein paar Tage bei Lukas logieren und geniesse von seiner Wohnung im 8. Stock (das weitherum einzige mehrstöckige Haus) eine tolle Aussicht über die Stadt während ich meine Ausrüstung wieder auf Vordermann bringe und ein paar Tage Ruhe geniesse.
Dann treffe ich mich noch mit einigen Radler-Kollegen, die ich bereits auf der Strecke immer wieder getroffen hatte. Wir haben uns natürlich allerhand 'war-stories' zu erzählen von unterwegs...
Als ich das erste Mal vom Munda Biddi Trail höre, bin ich gleich Feuer und Flamme. Ein 500km langer beschilderter Mountain Bike Trail durch die Wälder südlich von Perth! Nachdem ich in den letzten Tagen öfters auch auf Strassen mit recht viel Verkehr unterwegs war, kann ich es gar nicht erwarten. Und ich werde nicht entäuscht! Der Trail schlängelt sich auf verlassenen Wegen durch den dichten Wald. Am Ende einer Tagesetappe hat es jeweils eine kleine Hütte zum übernachten mit Regenwasser-Tank.
Tagelang geht es auf Buschwegen oder Single Trails durch den dichten unberührten Wald. Es ist oft sandig und das Ganze ist garniert mit einigen knackigen Steigungen. Mit einem Wort: es ist einfach sensationell auch wenn ich mit meinem schwer beladenen Gefährt oft ganz schön beissen muss. Viele der engen Wege sind total überwachsen und überhaupt treffe ich in den 8 Tage gerade mal 2 andere Velofahrer an. Ich habe diese Tage im Wald, fernab von jedem Verkehr und jeder Zivilisation unglaublich genossen. Dieser Trail ist wirklich der Hammer.
Die Region ganz im Südwesten rund um Margaret River ist ausgesprochen grün und dementsprechend landwirtschaftlich genutzt. Bekannt ist die Region vor allem für die viele Weingute. Hier kann ich natürlich nicht einfach isotonische Getränke trinkend daran vorbei fahren und da ich ja im Moment keine 20 und mehr Liter Wasser transportieren muss und mir meine Taschen schon fast leer vorkommen, wird in der hinteren Tasche kurzerhand Platz für einen 'Weinkeller' geschaffen. Man gönnt sich ja sonst nichts...