Nach Albany fahre ich wieder ins Landsinnere. Erst geht es auf einer tollen Strasse durch die Stirling Range. Beim Anblick der (wenn auch kleinen) Berge kann ich nicht wiederstehen und kraxle gleich auf einen schönen Gipfel hoch wo ich endlich mal wieder eine Aussicht geniesse, etwas sehr rares in Australien! Zum Glück hat mich der Park Ranger nicht gesehen, wie ich da mit den Sandalen über die Felsen hoch gestiegen bin, sonst wäre ich wohl gleich des Landes verwiesen worden...
Danach fahre ich durch den Wheatbelt, die Kornkammer Australiens. Endlose weite Kornfelder und dazwischen gemütliche, freundliche kleine Orte. In Hyden passiere ich den 'Wave Rock' ein Felsen der aussieht wie eine sich gerade brechende Welle. Wenige Km westlich davon erreiche ich den 'Rabbit Fence' Ein 1'800km langer Zaun der 1907 errichtet wurde um die landwirtschaftlichen Gebiete westlich davon von den eingeschleppten Kaninchen zu schützen.
der Zaun ist auch heute noch die Grenze des landwirtschaftlich genutzen Gebietes wo es nun wieder raus geht in die endlose Weite des Busches. Die Dimensionen werden sofort wieder an Western Australia Standard angepasst: 300km sandige Piste bis zum nächsten Wasser! Unterwegs passiere ich den Lake Johnston, einen tollen Salzsee.
In Australien gibt es ja weiss Gott genügend lange, einsame Strecken. Die Mutter all dieser Routen ist aber sicher die Traversierung der Nullarbor Ebene. 1200km Einsamkeit zwischen Norseman und Ceduna.
Die Nullabor beinhaltet eigentlich alles was gegen eine Fahrt mit dem Velo spricht: endlose, monotone Landschaft durch heisse Halbwüste und Busch. Und trotzdem, oder gerade desswegen, übt die Strecke eine gewisse Anziehungskraft aus. Nirgendwo treffe ich unterwegs mehr Velofahrer.
Versorgungstechnisch ist die Strecke nicht allzu schwierig, da es doch immerhin alle 200km ein Roadhouse hat.
Die Attraktionen der Strecke sind die 'Ninety Mile Straight', eine 147km lange, schnurgerade Strasse ohne jede Kurve, die Bunda Cliffs von wo man einen tollen Blick auf das offene Meer geniessen kann und endlose Geraden durch karge Landshaft.
Langweilig wird es aber auch auf dieser Strecke nie. Irgend etwas ist immer los. Leute halten auf offener Strasse an und wollen wissen was das für ein 'nutcase' ist der da mit dem Velo lang fährt. Dann tauchen plötzlich Wespen-artige Insekten auf. Erst nur wenige, bald wimmelt es nur so davon. Ich kann nur noch mit meinem Hut mit Fliegennetz fahren wenn ich nicht ständig Mund und Augen voller Insekten haben will. Ra-tatata prasselt sie gegen mich und das Velo als ob ich durch einen Hagelsturm fahre. 10km dauert der Spuck an und danach sehe ich die Viecher nie mehr.
Oft fahre ich bei einer schwülen Hitze. So wie unmittelbar vor einem Gewitter. Doch der erlösende, abkühlende Regen will nie fallen. Bis ich einmal voraus Blitz und Donner sehen kann. Ich fahre geradeaus darauf zu und dann beginnt es tatsächlich zu regnen. In diesem Moment könnte ich mir nicht schöneres vorstellen als durch diesen Gewitter-Regen zu fahren. Als ich dann aber das Zelt aufgestellt habe, geht es erst richtig los mit dem Regen. Der Boden ist hier aber so ausgetrocknet, dass er das Wasser gar nicht aufsaugen kann und in Kürze steht die ganze Landschaft unter Wasser, inklusive meinem Zelt.
So komme ich eigentlich recht gut voran bis etwa in die Mitte der Strecke, als es heiss und trocken wird und der Wind dreht und ich von nun an gegen einen konstanten, sehr mühsamen Gegenwind fahren muss.
Als ich in Eucla meine Benzinflasche auffülle und mich beim Tankwart beklage über den Wind meint dieser. "Das war noch gar nichts, Heute musst du aufpassen, sie haben eine Windwarnung herausgegeben und wenn der Wind aus Norden kommt ist er sehr heiss". Und wenn die Australier warnen dass es heiss wird, dann ist die Lage ernst.
Der Wind kommt tatsächlich wie prognostiziert aus dem Norden und bringt damit die Hitze aus den nördlichen Wüsten mit sich. Ich kann nur noch jeweils so eine Stunde auf dem Velo sitzen. Dann muss ich einen schattigen Platz suchen und mich dort wieder erholen, während ich literweise Wasser in mich hineinschütte. Doch das wird je länger desto schwieriger denn diese Ebene heisst nicht umsonst nullus arbor - keine Bäume! Die Hitze ist abartig und saugt die letzte Energie aus mir raus. Drei Tage lange quäle ich mich gegen den immer noch unnachgiebigen Gegenwind und eine Hitze wie ich sie noch nie erlebt habe. Der Körper kann sich auch Nachts gar nicht mehr erholen und ich merke wie ich schwächer und schwächer werde. Vor Yukala habe ich mich wieder einmal in den spärlichen Schatten unter einem Busch geflüchtet.
Mehrere Stunden liege ich da, während ich mir langsam aber sicher eingestehen muss, dass es einfach nicht mehr geht. Es ist eine sehr schwierige Entscheidung aber mir wird klar, dass wenn ich jetzt noch einmal raus gehe in die Hitze, dann gefährde ich ernsthaft meine Gesundheit und das ist es einfach nicht wert. Als ich die Entscheidung getroffen habe, brechen alle Dämme und ich liege noch lange heulend neben dem Velo, bis mich dann jemand die nächsten 100km bis zu einem Strand mitnimmt. Im nächsten Roadhouse erfahre ich, dass sie Gestern 51° gemessen haben und es sollen die heissesten Novembertage seit über 100 Jahren gewesen sein...
Ich brauche einige Tage bis ich mich wieder erholt habe. Dabei fahre ich langsam der Küste der Eyre Halbinsel runter und kühle mich bei jeder Gelegenheit mit einem Bad im Meer ab. So plötzlich wie die Hitze gekommen ist, so plötzlich verschwindet sie dann auch wieder und von einem Tag auf den Anderen ist es wieder 20° kühler.
Nach Port Augusta treffe ich wieder auf einen Mountain Bike Trail. Der Mawson Trail führt über 900km von der Flinders Range bis nach Adelaide. Ich fahre vorerst nur den südlichen Teil, den Rest hebe ich mir noch auf für später. Anders als der Munda Biddi Trail führt dieser meist auf kaum benutzten Feldwegen durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet. So fahre ich an herrlich leuchtenden Feldern und Wiesen vorbei, grossen Herden von Merino Schafen und schliesslich durch die Weinberge des Barossa valley, ehe ich fast mitten im Zentrum von Adelaide das Ende des Trails erreiche.
Etwas unvorbereitet lande ich so mitten in der Stadt. Nach den vielen Wochen im Busch kommt mir das hektische vorweihnachtliche Treiben etwas fremd vor. Dann aber treffe ich mich mit ein paar Freunden von Unterwegs, wir gehen gut essen und geniessen ein paar Bier im Pub mit Live Musik. Doch, diesen Teil der Stadt habe ich schon etwas vermisst.
Wenn man so ständig unterwegs ist übernachtet man ja an den kuriosesten Orten. Ich mag das, wenn ich Morgens losfahre und nie weiss wo ich denn am Abend übernachten werde. Heute bin ich gegen Ende des Tages in ein kleines Dorf gekommen. Im kleinen General Store kaufe ich mir ein Glace als mich die Besitzerin fragt wo ich denn heute übernachte. "Irgendwo entlang der Strasse" antworte ich. Da meint sie, dass ich unten beim alten Bahnhof schlafen kann und gibt mir den Code für das Zahlenschloss. Dieser sei extra für so Leute da. Und so übernachte ich heute also im alten Wartsaal eines kleinen Bahnhofes.
Ich fahre die Fleurieu Halbinsel runter und dann mit der Fähre rüber zur Kangaroo Island. Auf dieser Insel sind einheimischen Tiere noch meist unter sich. Es ist ein wahres Tier-Paradies Auf meiner Runde um die Insel kann ich jede Menge stachlige Enchidnas, Robben, Eukalyptus mampfende Koalas in den Bäumen entlang des Weges, natürlich viele Possums, Roo's und Wallabies und sogar Pinguine entdecken. Auch sonst hat die Insel einiges zu bieten: tolle Sandstrände im Norden und felsige Kliffs im Süden.
Langsam aber sicher komme ich nun in Gebiete die deutlich dichter besiedelt sind und praktisch jeden Tag komme ich durch ein Dorf. Das verändert natürlich auch die Art wie ich Untergews bin. Ich muss nicht mehr viel Proviamt transportieren dafür kann ich nicht mehr überall neben der Strasse mein Zelt aufstellen. Entlang der Limestone Coast hat es aber so viele National Parks, dass ich jeden Tag in einen neuen komme und dort mein Zelt aufschlage. Es sind keine Postkarten-Strände. Hier trifft der wilde, wütende Ozean auf eine Kalkstein Küste. Dazwischen hat es dutzende Kilometer lange menschenleere Sandstrände und dahinter meist riesige Dünenlandschaften.
An Silvester möchte ich in Melbourne sein und damit ich da auch rechtzeitig ankomme muss ich noch eine Zusatzschlaufe einlegen. Genau richtig für eine Tour durch die Grampians. Ein paar Tage lang fahre ich auf allen möglichen dirt roads kreuz und quer durch den Park, treffe Kletterer mit denen ich zu ihren Routen gehe, mache ein paar Wanderungen und sehe insgesammt deutlich mehr Emus und Roos als Autos. Ein toller Park mit einer wilden, intakten Natur und fantastischen Felsen.
Zum Jahresabschluss fahre ich dann noch die Great Ocean Road nach Melbourne. Mindestens so eindrücklich wie die von der starken Brandung geformten bekannten Kalksteinformation vor der Küste sind die Abstecher in die tiefen Wälder des Otway Parks. Hier hat es Wasserfälle, bis zu 90m hohe Bäume und der Boden ist dicht überwachsen mit Farn Bäumen.
Nach Weihnachten beginnen hier die Sommerferien und die meisten Australier haben ein paar Wochen frei. Wie auf Kommando scheinen alle aus den Städten an die nächsten Strände zu flüchten. Als ich an den tollen Surf Beaches von Apollo Bay bis Bells Beach entlang fahre ist ganz schön was los in und neben dem Wasser.