Nach Marree geht es auf den legendären Oodnadatta Track. Auf dieser Route hatte Stuart 1862 erstmals den Kontinent von Süden nach Norden durchquert. Später wurde hier die erste Telegraphenleitung und die alte Ghan Eisenbahnlinie gebaut. Heute ist es noch immer einer der faszinierensten Outback Tracks.

Dieser Moment, wenn das letzte Stück Asphalt hinter mir liegt und sich diese unermessliche Weite vor mir auftut ist einfach unbeschreiblich. Noch immer kriege ich dabei jedesmal Gänsehaut. Das Wissen, dass nun für mehrere hundert Kilometer ausser einigen Roadhouses einfach Nichts mehr kommt als endlose Weite ist überwältigend.

So eintönig die Landschaft vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag, ich bin absolut fasziniert davon. Immer wieder ändert diese von karger Halbwüste mit nichts als rotem Sand zu Buschland und felsigen Flusstälern. Dazwischen hat es riesige Salzseen und einige regelrechte Oasen wo ich raren Schatten finde und sogar in Grundwasser-Quellen baden kann. Die Dimensionen sind schlicht gigantisch, was sich auch in den Dingen entlang der Strecke wiederspiegelt: der Dog-Fence, ein 5300km langer Zaun der gebaut wurde um die Schafe im Süden vor den Dingos im Norden zu schützen, oder die Anna Creek Station, die grösste Rinderfarm der Welt welche grösser als Belgien sein soll.

Am vierten Tag sehe ich voraus plötzlich dunkle Wolken. Erst bin ich darüber nicht unglücklich und freue mch an den etwas kühleren Temperaturen. Doch dann beginnt es doch tatsächlich leicht zu regnen. Der Regen wird dann aber recht heftig wenn auch nur kurz. Während einer Pause mache ich mir so langsam Gedanken was wohl aus der Piste wird. Die Antwort bekomme ich bereits wenige Meter weiter. Der lehmige Boden hat sich in klebrigen, rutschigen Schlamm verwandelt. Innerhalb kürzester Zeit bin ich völlig imobil. Ich kann keine 50m vor oder zurück!

Mir bleibt nicht anderes übrig als hier neben der Strasse sitzend zu warten bis der Belag wieder trockener ist. Nach einer Stunde versuche ich es erneut. Ich komme nur wenige 100m weiter, dann gebe ich frustiert auf. Vor allem in den kleinen Senkungen die es alle 200m hat, hat sich das Wasser angesammelt und nur mit äusserster Kraftanstrengung kann ich überhaupt durch eine nur 5m lange feuchte Stelle kommen. Danach muss ich jeweils das Velo komplett putzen damit sich überhaut noch etwas bewegt daran. So geht das den ganzen Nachmittag lang weiter. Eigentlich eine völlig sinnlose Kraftverschwendung aber am Himmel haben sich bereits wieder dunkle Wolken versammelt. Schliesslich gebe ich aber erschöpft auf und zelte.

Über Nacht hat es wieder leicht geregnet. Trotzdem starte ich entschlossen: noch 45km fehlen, Heute muss ich ganz einfach nach Oodnadatta komme, ich habe nur noch 8l Wasser. Es werden die härtesten 45km die ich auf dieser Tour bisher 'gefahren' bin. Abschnitte wo ich einigermassen fahren kann wechseln immer wieder ab mit schlammigen Passagen. Als ich das Pink Roadhouse in Oodnadatta erreiche, bin ich dreckig von Kopf bis Fuss, völlig erschöpft aber glücklich.

Eigentlich hatte ich geplant von hier weiter auf Pisten nach Norden bis Alice Springs zu fahren. Doch diese Strassen sind nun nach dem starken Regen alle geschlossen. Also folge ich weiter dem Oodnadatta Track der noch 210km weiter geht. Die Prognosen sagen aber weiterhin Gewitterrisiko voraus und so warte ich erst noch einen Tag und lasse die Strecke wieder trocknen.

Die tiefen Spuren durch den Schlamm sind nun wieder hart und ich komme gut voran. Ich schaue aber immer wieder besorgt zum Himmel, ob es trocken bleibt. Als ich das Zelt aufstelle sehe ich schon, dass es am Abend noch ein Gewitter gibt ...und was für eines! Als es dunkel ist, sitze ich wie gebannt im Vorzelt und schaue raus wie die stroboskopischen Blitze im Sekunden-Takt die Umgebung erhellen welche langsam aber sicher im Wasser untergeht. Ein unglaubliches Schauspiel. Da der Boden hier ja vor allem aus Lehm besteht, fliesst Wasser nicht einfach ab sondern sammelt sich einfach auf der Oberfläche. Bald ist alles unter Wasser und in meinem Zelt steht das Wasser knöcheltief. Es wird noch eine lange und ungemütliche Nacht.

Am nächsten Morgen wage ich erst gar nicht auf die Piste zu gehen welche eine einzige grosse Pfütze ist. Da es hier aber gerade etwas sandig ist, kann ich das Velo wenigsten schieben. Als es nach wenigen Km trockener wird atme ich auf. offenbar habe ich gerade am Rande des Gewitters gezeltet.

Als ich in Marla auf den Stuart Highway treffe, komme ich mir vor wie im falschen Film. Blitzblanke Camper zischen an mir vorbei, während mein Velo quietscht und ächtzt und ich und die gesammte Ausrüstung vollgespritzt sind mit roter Erde.

Auf der Fahrt zum Uluru, zum roten Zentrum wird es nicht wie erwartet immer roter sondern immer grüner. Durch den vielen Regen ist es hier aussergewöhnlich grün und oft hat es richtig hohes Gras neben der Strasse. Wie dann der Uluru, dieser riesige rot-orange leuchtende Monolith so plötzlich aus der Ebene auftaucht ist schon beeindruckend. Fast noch besser gefällt mir allerdings Kata Tjuta. Hier kann man auf einer tollen Wanderung durch die engen Schluchten zwischen den domartigen Felsen durchgehen, sensationell.

Für die Strecke nach dem Kings Canyon, den Mereenie Loop, brauche ich eine Bewilligung, weil es durch Aboriginal Land geht. Ob ich einen 4WD habe? Die Strecke sei nur für die offen. Nein, aber ein Velo! anworte ich lachend. Als ich den Permit habe, steht oben in grossen Lettern 'was warned about road conditions'. Ein paar Stunden später ist mir nicht mehr nach Lachen zu Mute. Meine Güte was ist denn das? Eine furchtbare Piste die nur aus Sand besteht. Das Wellblech ist so heftig, dass ich mich kaum im Sattel halten kann. 2 Tage lang holpere ich im Schritttempo dahin bis mir alles weh tut. Zur Belohnung gibt es danach tolle Schluchten und grosse Wasserlöcher zum Baden in der West McDonnell Range.

Nach einem Ausflug in die East MacDonnell Range geht es wieder runter Richtung Süden. Diesmal muss ich Wohl oder Übel auf dem Stuart Highway fahren. Der Unterschied ist enorm. War ich vom Oodnadatta Track fasziniert und gab es ständig etwas zu entdecken, ist das hier nun wirklich eine reine Kilometer- Abhakerei. Ich bin froh als ich endlich wieder von diesem Highway runter kann. Vor Coober Pedy fahre ich einen Abstecher durch die Painted Desert. Drei Tage lang nichts als Sand und Steine soweit das Auge reicht, einfach Klasse. Schon mal gewundert wo so Filme wie 'Mad Max' und 'Red Planet' gedreht wurden? Genau hier!

Lebensfeindlicher als in Coober Pedy kann es auf der Erde wohl nur noch an wenigen Orten sein. Hier gibt es weder Wasser noch irgend eine Art von Vegetation, der einzige Grund warum die Leute hier leben, sind die Opal Minen. Kein Wunder leben viele unter dem Boden in sog. 'Dugouts' um der brutalen Hitze im Sommer zu entkommen.

Vielleicht wundert Ihr euch, wieso ich denn eigentlich wieder 1500km zurück, runter in den Süden fahre. Seit Beginn stand eine Route immer ganz oben auf meiner Liste die ich nun fahren will: der Birdsville Track.

Der Birdsville Track ist mehr als nur eine Strasse. Mit ihm verbinden sich viele Geschichten aus der Pionierzeit. Etwa Tom Kruse, der schon zu Lebzeiten zur Legende wurde. Er war auf dieser Strecke als Pöstler unterwegs und versorgte die abgelegensten Höfe. In den 50ern wurde ein Film über ihn und den Birdsville Track gedreht mit dem passenden Namen 'Back of Beyond'. Über 500km schlängelt sich die Piste zwischen der Simpson und der Sturt Stony Desert von Marree nach Birdsville. 500km nichts als endlose Weite.

Es ist ein einzigartiges Erlebnis hier tagelang durch diese menshenleere Gegend zu fahren. Die Tage gleichen sich und verschmelzen ineinander und bald bin ich in einem eigenartigen Rythmus drinn, wo Zeit und Distanz völlig nebensächlich sind. Bin ich nun schon Tage oder Wochen unterwegs? Wenn ich mich am Pistenrand hinsetze und eine Pause mache ist die Stille und Einsamkeit so vollkommen, als ob ich der letzte Mensch auf diesem Planeten wäre.

In der Nacht heulen ein paar Dingos in der Ferne und der Sternenhimmel ist so klar dass man glaubt danach greifen zu können.

Je weiter nördlich ich komme, desto mehr Überschwemmungen hat es neben der Piste. Ich fahre hier durch ein Regenwasser Sammelgebiet das einen Sechstel von Australien umfasst. Dieses Gebiet ist so gigantisch gross, dass wenn es weit im Norden Queensland regnet (was es ja dieses Jahr zur Genüge getan hat), dieses Wasser irgendwann hier runter bis in den Lake Eyre fliesst. Dieser ist ein ausgetrockneter Salzsee welcher nur etwa alle 20 Jahre Wasser hat, dieses Jahr zum Beispiel. Und so kommt es, dass obwohl ich hier meist durch Wüste fahre, viele der Flüsse geflutet sind. Einige Male muss ich desswegen ein Umfahrung durch weichen Sand fahren, besser gesagt schieben.

Am Ende des Tracks erreiche ich Birdsville, ein kleiner Ort im Outback und das Zuhause des wohl bekanntestes Pub in ganz Australien, das Birdsville Hotel.

Seit ich vor fast einem Jahr hier nach Australien gekommen bin, wusste ich auch, dass ich danach nach Hause zurückkehren will. Es sollte das letzte Land auf dieser Reise werden. Und so langsam aber sicher laufen meine 12 Monate hier ab. Wie aber beendet man eine solche Reise? Darüber habe ich mir lange den Kopf zerbrochen. Einfach heimfliegen und fertig, das geht irgendwie nicht. Nach Hause fahren mit dem Velo würde noch einmal 2 Jahre dauern, also auch nicht. Dann kommt mir die Idee und ich nehme mir vor, den günstigsten Flug nach Europa zu nehmen und dann von da mit dem Velo nach Hause zu fahren. Und nun ratet mal wohin der günstigste Flug geht? ...nach Zürich! Erst bin ich etwas entäuscht doch dann freunde ich mich immer mehr an mit der Idee. Dann fahr ich halt noch eine kleine 'Tour de Suisse' zum Abschluss, was Besseres hätte mir ja gar nicht passieren können. Wenn alles rund läuft, werde ich also Ende Juli in Luzern einrollen!