Tokyo, Hokkaido
Japan soll das nächste Ziel sein! Ich wollte ohnehin hierher auf dieser Reise. Nun ist es halt etwas früher. In den restlichen 3 Tagen vor dem Flug versuche ich mich so gut es geht noch etwas vorzubereiten auf das was mich da erwartet: Aus der Steppe direkt in die grösste Metropole der Welt Tokyo, wohlwissend dass das sowieso ein Schock sein wird.
Bereits am Flughafen lerne ich zwei typische Eigenschaften der Japaner kennen: sind sind sehr nett und hilfsbereit und sie sind äussert korrekt. Viele wollen mir helfen als ich mich mit meinem Velo durch den Flughafen zur Bahnstation durchschlage. Dort aber will man mich auf keinen Fall in den Zug lassen, nicht ohne Verpackung, so lautet die Vorschrift. Als ich 1 Stunde später wieder am Schalter bin, diesmal das Velo in einen Plastik verpackt, darf ich rein.
Als ich in Downtown Tokyo aussteige das Velo bepackt habe und losfahren will, baue ich fast einen Unfall: ach die fahren ja links, stimmt! Dann aber wird die Fahrt zu meinem Hotel das reinste Vergnügen. Es hat viele Velos und fast überall darf man auf dem Gehsteig fahren. Der Verkehr ist überhaupt nicht hektisch und man kriegt soagr Vortritt von den Autofahrern. Ich bin so begeistert, dass ich am Abend gleich eine Tour mit dem Velo durch das nächtliche Tokyo mache und die neuen Eindrücke auf mich wirken lasse.
Ein paar Tage lang entdecke ich Tokyo: der grösste Fischmarkt der Welt, die Parks mit ihren Tempeln, ganze Viertel wo die neuste Elektronik verkauft wird etc.
Meine Veloreise will ich aber im Norden starten. Mit dem Nachtzug fahre in rauf nach Sapporo auf die nördlichten Insel: Hokkaido.
Sapporo, dieser Name ist natürlich untrennbar verbunden mit den Erfolgen der Ski-Idole meiner Jugend: Russi, Nadig & Co. haben hier an der Olympiade alles abgeräumt. Die Stadt macht aber erst gar nicht den Eindruckt eines Wintersportortes, liegt sie doch nur knapp über Meereshöhe. Später auf der Fahrt nach Fugano (hier macht der Ski Weltcup jedes Jahr Station) sehe ich aber diese grossen Verbauungen gegen Schneeverwehungen entlang der Strasse. Im Winter wenn die sibirische Kälte runter kommt soll es hier extrem viel Schnee geben.
Nun aber ist es Herbst. Die weiten Wälder leuchten in den prächtigsten Farben. Hier auf Hokkaido gibt es noch viel Wildnis. Es ist die am schwächsten besiedelte Insel.
Kurz bevor ich am ersten Abend nach einem Platz zum Zelten Ausschau halte, tauchen diese grossen Bären-Warnschilder auf. Ja was jetzt? Hat es hier Bären? Auf Hokkaido hat es tatsächlich wilde Braunbären. Ich sehe dann aber zum Glück doch keinen dafür umso mehr Hirsche, Rehe, Füchse und Eichörnchen.
Das erste Wort japanisch dass ich lerne, wird gleich mein Lieblingswort: Onsen. Das sind heisse Quellen und davon soll es über ganz Japan verteilt hunderte geben. Es gibt sie in allen möglichen Formen: von Luxus-Spa-Hotels bis zum einfachen heissen Pool draussen in der Wildnis, wobei ich dann doch eher Zweiteres bevorzuge. Sich nach einem langen Tag auf dem Velo in so einem Pool drin so richtig durchkochen zu lassen ist einfach das Grösste.
In den Läden hat es aussergewöhnlich wenig importierte Waren. Fast alles ist japanisch, dafür ist die Auswahl wieder riesig. Blos was ist das alles? Bei sicher etwa der Hälfte der Produkte habe ich keine Ahnung: Fleisch, Gemüse, Früchte, oder etwa doch Fisch? Da hilft nur ausprobieren, wobei ich einige lustige Überraschungen erlebe. Dasselbe im Restaurant. Meist kann ich zeigen was ich möchte. Oft weiss ich aber auch nach dem Essen noch nicht so ganz genau was das denn jetzt eben war... Gut ist es aber fast immer!
In den ersten Tagen fahre ich im Zentrum der Insel von einem Nationalpark zum nächsten, von einem See zum Anderen. Tolle Gegend hier und jetzt durch diese herbstlichen Wälder zu Fahren ist einfach ein Traum. Es ist aber auch ganz schön antrengend. Die Berge sind hier nicht hoch aber es hat sehr viele Steigungen.
In den letzten Tagen fahre ich dann noch der Küste entlang in den Süden. Abends finde ich immer einen schönen Platz am Ufer. Also nichts gegen Strandurlaub, wenn blos nicht dieser Sand wäre...
Honsu
Mit der Fähre fahre ich nach Honsu, zur Hauptinsel rüber. Bereits auf den ersten Metern merke ich, dass es hier bedeutend enger ist. Die Strassen sind nicht mehr so breit und in den Ortschaften stehen die Häuser ganz schön eng nebeneinander. Auch der Verkehr hat natürlich deutlich zugenommen. Auf den Hauptstrassen hat man es hier als Velofahrer nicht immer ganz leicht. Aber dort halte ich mich auch nur selten auf.
In der Mitte der Insel ist es auch hier sehr gebirgig, mit viel Wald und viel Landwirtschaft. Hier finde ich immer wieder tolle Strecken die kaum Verkehr haben.
Die Extreme, Gut und Schlecht, sind oft sehr nahe beieinander auf einer Veloreise. Vielleicht auch ein Grund wieso mir das so gefällt. Es hat die ganze letzte Nacht durchgeregnet. Als ich am Morgen aufstehe hat es etwas nachgelassen. Mit meinem (zugegeben manchmal etwas zu übertriebenen) Wetter-Optimismus denke ich mir, das wird schon aufhören wenn ich dann mal unterwegs bin.
Tut es aber nicht. Ich fahre im strömenden Dauerregen 1000 Höhenmeter rauf zu einem Pass. Oben ist die Strasse blockiert. Was ist los? Im Frühling gab es ja hier in Japan ein recht heftiges Erdbeben. Hier bin ich nun genau im ehemaligen Epizentrum. Die meisten Strassen sind noch immer unpassierbar, der einzige Weg weiter ist der den ich eben gekommen bin. Ich bin schon lange Nass bis auf die Knochen und friere. Nun noch diese Neuigkeit, dass ich die ganze Strecke wieder zurück muss, die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt.
Ich beschliesse zu dem Campingplatz den ich kurz vor dem Pass gesehen habe zurückzugehen. Als ich dort ankomme staunt der Platzwart der kein Wort Englisch spricht nicht schlecht. Es hat natürlich keine anderen Gäste. Aber das Zelt aufstellen darf ich nicht. Es sei viel zu kalt und nass da draussen. Ich kann bei ihm in der Hütte schlafen. Später fahren wir zusammen ins nahe Onsen. Wie wir da so im heissen Pool drin liegen und in die dunkle neblige Nacht raus schauen, grinsen wir uns beide gegenseitig an: nirgendwo sonst möchte ich in diesem Moment sein! Zurück in der Hütte schauen wir uns lange Bilder auf meinem Laptop an, trinken eine grosse Flasche Sake leer und amüsieren uns prächtig. Danach kocht er mir ein fantastisches Gericht aus selbstgesuchten Pilzen.
Es sind diese Momente die eine Reise wirklich ausmachen und einem Land ein Gesicht geben. Ab und zu kommt man sich in Japan schon etwas isoliert vor. Die Japaner sind oft sehr zurückhaltend, sicher auch der Sprache wegen. Es ist oft nicht einfach hinter die Fassade zu sehen. Dahinter aber sind es unglaublich freundliche und hilfsbereite Menschen. Japan hat für mich heute ein Gesicht bekommen.
Ich war ja auch gespannt, wie gut wild zelten denn überhaupt möglich ist auf einer so stark bevölkerten Insel, bin aber immer wieder überrascht, wie viele auch sehr abgelegene Gebiete es hier gibt. Einen Platz zu finden ist nie ein Problem. Als Favorit haben sich bei mir Skipisten entpuppt. Hier zeltet es sich wunderbar, denn das Unterholz hier in den Wäldern ist derart dicht, dass es fast unmöglich ist, einfach da rein zu gehen. Zudem hat es hier meist noch ein Onsen in der Nähe.
Ich habe einen guten Rhythmus gefunden. Mittags fahre ich immer ins Tal runter, quere eine Stadt, schau dort ev. noch einen Tempel an und verschwinde dann am Nachmittag wieder auf einer kleinen Strasse rauf in die Berge. Von diesen abgelegenen Passstrassen gibt es jede Menge und es ist einfach traumhaft jetzt durch die bunten Wälder zu fahren auf diesen engen kaum befahrenen Strassen. Das Ganze hat natürlich auch einen Preis: Obwohl die Pässe nicht ganz so hoch sind, fahre ich Höhenmeter wie noch kaum in einem anderen Land.
Auf meiner Karte steht, dass die Strasse nach Kamikochi, im Japan Alps National Park nur von Taxis und Bussen befahren werden darf. Ob ich da überhaupt hin fahren kann? Ich werde aber freundlich durchgewunken. Zwei Minuten später bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich mich wirklich freuen soll. Es ist mal wieder ein Tunnel durch den ich muss. Aber nicht irgendeiner, es ist der Velofahrer-Albtraum schlechthin: eng, 1.3km lang mit einer durchgehenden 12% Steigung! Als ich oben rauskomme bin ich physisch und psychisch ganz schön fertig.
Am Ende der Strasse glaube ich meinen Augen nicht zu trauen: hier geht es zu wie bei uns am Hauptbahnhof! Hunderte von Leuten, aber alles Wanderer. Natürlich alle perfekt ausgerüstet. Es ist Sonntag-Nachmittag und nach einem Wochenende in den Bergen steigen nun alle in ihre Busse zurück nach Tokyo. Kurz darauf ist die Ruhe wieder eingekehrt. In den nächsten Tagen mache ich ein paar tolle Wanderungen auf die Gipfel hier im Park.
Die grossen Berge habe ich nun verlassen, es wird Zeit, dass ich auch mal in die Grossstädte rein gehe, sonst glaubt ihr mir noch dass es die hier gar nicht geben würde :-)
Cat & Paul leben und arbeiten während eines Jahres in der Nähe von Kyoto. Ich habe Sie auf Hokkaido getroffen und sie haben mich gleich eingeladen, ein paar Tage bei ihnen zu verbringen. Es ist eine willkommene Abwechslung mal für ein paar Tage ein Dach über dem Kopf und Gesellschaft zu haben. Während meinem Aufenthalt entdecke ich Kyoto. Mehr als 2000 Tempel und Schreine soll es hier geben, die Auswahl fällt nicht leicht. Noch besser gefallen mir allerdings die Tempelanlagen bei Nara. Unter anderem gibt es hier das grösste Holzgebäude der Welt.
Wieder unterwegs geht es zuerst ein paar Tage an der felsigen Nordküste entlang ehe ich runter nach Hiroshima fahre.
Die Stadt wird wohl immer erinnert werden als Ort des ersten Atombombenabwurfes. Das ist auch gut so, es gibt Dinge die dürfen nicht vergessen werden. Die Gedenkstätten und das Museum sind denn auch sehr bewegend.
Shikoku
Über eine ganze Reihe von grossen Brücken hüpfe ich quasi von einer Insel zur nächsten und verlasse nun Honsu Richtung Shikoku. Die Insel ist bekannt für ihren Pilgerweg der an 88 Tempeln vorbei rund um die Insel führt. Auf meiner Fahrt treffe ich denn auch oft 'henro' (Pilger) an.
Vom Norden der Insel bin ich erst etwas enttäuscht: Viel Industrie und auf der Strasse hat es viel zuviel (Schwer-) Verkehr. Sobald ich dann aber ins Innere der Insel komme gefällt es mir wieder. Hier finde ich üppige Natur, Schluchten, unbefahrene Strassen und knackige Pässe.
Ich habe mein Zelt heute in der Nähe eines Hauses aufgestellt, von dem ich glaube es sei unbewohnt. Der Besitzer taucht dann aber doch auf. Er ist erfreut mich hier auf seinem Hof zu finden und lädt mich gleicht zum Nachtessen ein. Es gibt selbstgeschossenes Wildschwein!
Im Süden der Insel hat es tolle Strände. Sie sind bekannt für ihre grossen Wellen. Dementsprechend viele Surfer hat es auch. Ich begnüge mich mit einem erfrischenden Bad in den Wellen.
Wenn es etwas gibt woran ich mich wohl nie gewöhnen werde hier in Japan, dann sind es diese Lautsprecherdurchsagen. Ganz Japan scheint mit einem fast flächendeckenden Lautsprechersystem eingedeckt zu sein. Egal wie abgelegen ich zelte, im Wald oder am Strand, pünktlich um 17:00 Uhr werden diese immer aktiv. Oft ist das einfach eine elektronische Melodie, die wohl die Zeit angeben soll, ab und zu ist es aber auch eine regelrechte Sirene gefolgt von einer Durchsage. Zu Beginn erschrecke ich ein paarmal schon und glaube allen Ernstes ein Waldbrand oder ein Tsunami sei im Anzug.
Kyushu
Mit einer Fähre geht es rüber zur letzten Insel die ich hier in Japan besuchen will: Kyushu. Ich fahre erst der Küste entlang nach Süden runter. Hier hat es wieder tolle Sandstrände. Es ist ja mittlerweile schon Mitte November. Wenn das Wetter gut ist, ist es nach wie vor sehr angenehm und warm zum Velofahren. Heute ist es so warm, dass ich Abends noch im Meer bade. Am nächsten Morgen fahre ich weg von der Küste rauf zu einem Vulkan auf 1200m. Als ich dort am Tag darauf die Nase aus dem Zelt strecke schneit es doch tatsächlich!
Ja das ging wirklich sehr schnell. Innerhalb eines einzigen Tages ist es nun plötzlich sehr kalt geworden. Bei der Fährt quer durch die Insel von einem Vulkan zum nächsten fahre ich in den nächsten Tagen immer dick eingepackt.
Dann erreiche ich nach 6000km Fahrt durch Japan Fukuoka, den letzten Ort in Japan, wo ich noch ein paar Ruhetage geniesse und mich wieder auftauen lasse.