Tag 0
Am Freitag Morgen um 5 lande ich in Bishkek. Als das Velo nicht auftaucht werde ich erst noch nicht nervös, dann mache ich mir aber doch Sorgen. Etwas später steht es dann leider fest: das Velo ist irgendwo im Transit verloren gegangen. Für mich bricht eine Welt zusammen, die ganze Vorbereitung der letzten 6 Monate einfach so für nichts?
Deprimiert fahre ich mit dem Taxi in die Stadt zum Guesthouse und schlafe erste noch eine Runde. Später gehe ich zum Renn Check In und sage dort dass ich wohl gar nicht starten kann. Falls es aber doch noch rechtzeitig auftaucht erledige ich mal alle Formalitäten.
Am Nachmittag frage ich beim Flughafen nach. Man verspricht mir, das es mit dem Frühflug Morgen kommt.
Tag 1 (100km, 2313Hm, 8 3/4h)
Um 4 stehe ich auf und fahre zum Flughafen. Doch das Velo ist nicht angekommen. Am Nachmittag komme es aber ganz sicher. Mist. Und so fahre ich unverrichteter Dinge wieder in die Stadt zurück.
Um 9 gehe ich zum Start des Rennens. Ich könnte heulen als ich die 137 Fahrer sehe, die sich auf den langen Weg machen, während ich zum blossen Zusehen gezwungen bin.
Am Nachmittag bin ich wieder am Flughafen. Diesmal ist das Velo wirklich dabei. Schnell zurück zum Guesthouse, zusammensetzen, packen, umziehen und dann endlich bin ich auf dem Weg zum Start. Der liegt bei einem Aussichtspunkt oberhalb der Stadt. Schon der Weg dahin ist eine holprige Angelegenheiten. Punkt 18:00 Uhr, 9 Stunden nach dem offiziellen Start geht es also auch für mich los.
Kaum bin ich unterwegs ist das Negative vergessen. Ich freue mich einfach, jetzt doch noch fahren zu können. Dank dem späten Start verpasse ich sogar den ersten Regen- und Schneeschauer, statt dessen fahre ich in einen wunderschönen Sonnenuntergang hinein.
Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, nicht Nachts zu fahren. Aber jetzt will ich natürlich möglichst schnell zum Feld aufschliessen. Checkpoint 1 muss ich in 3 Tagen erreichen. So fahre ich also voll motiviert in die Nacht hinein. Hier auf der noch guten Strasse ist der einzige Nachteil dass die Hunde jetzt noch aggressiver sind. Nach dem ersten Hügel komme ich zum Start des Kegety Tal. Hier beginnt die lange Steigung zum gleichnamigen Pass. Bis um 2 Uhr Morgens fahre ich durch und habe dann etwa die halbe Höhe geschafft. Die ersten Fahrer habe ich bereits eingeholt. Ich bin mehr als Zufrieden als ich das Zelt aufgestellt habe und kurz darauf einschlafe.
Tag 2 (105km, 2650Hm, 13h)
Nach nur 4 Stunden stehe ich bereits wieder auf und es geht weiter. Die Steigung zum Pass komme ich gut hoch. Als ich den Kegety Pass erreicht habe beginnt es leicht zu schneien. Vorsichtig schiebe ich das Velo die ersten Kurven runter bis ich schliesslich fahren kann.
Schon bald bin ich im Tal unten und die Steigung zum nächsten Pass beginnt bereits wieder. Der letzte Teil ist ziemlich steil und ich merke, dass das heute schon viele Höhenmeter waren. Oben beginnt es wieder zu schneien. Diesmal aber richtig heftig. Zusammen mit einem starken Gegenwind wird es schnell sehr kalt. Jetzt einfach möglichst schnell runter. Ich fahre bis es dunkel wird um 21:00 und stelle dann das Zelt auf.
Tag 3 (168km, 1998Hm, 14 3/4h)
Mit dem Sonnenaufgang geht es weiter. Eigentlich eine einfache Strecke auf den nächsten 70km: es geht stetig runter. Doch die Strasse ist ein derart furchtbares Geholper, dass mir bald alles weh tut. Unten dann eine kleine Stadt und die erste Möglichkeit etwas einzukaufen.
In der folgenden Steigung habe ich einen furchtbaren Gegenwind und dann auch noch eine lange staubige Baustelle. Ich bin froh als ich Hauptstrasse endlich verlassen kann. Als es langsam Dunkel wird bin ich am Anfang der Steigung zum Song Kul hoch. Die will ich noch machen heute, damit ich den Checkpoint oben rechtzeitig erreiche. Die obere Hälfte ist zu steil zum Fahren und so schiebe ich im Dunkeln die vielen Spitzkehren hoch. Auf der letzten Gerade holt mich ein Reiter ein. Er feuert mich an auf den letzten Metern und freut sich dann mit mir als ich um 23:00 endlich oben bin. Dass ich aber nicht mit in seine warme Yurte mitkommen will und stattdessen hier zelten will versteht er dann aber gar nicht...
Tag 4 (154km, 2168Hm, 14h)
Wunderschöne Fahrt dem Song Kul entlang und um 10:00 erreiche ich den Checkpoint und kriege dort meinen ersten Stempel. Ich esse etwas und fahre dann bald weiter. Eine kurze Steigung zum Molo Ashuu Pass hoch und dann geht es in einer schnellen Abfahrt mit vielen Spitzkehren runter. Im Tal dann ein paar ruhige Km auf guter, asphaltierter Strasse bis Baetov. Die letzte Gelegenheit etwas einzukaufen für ein paar Tage, also fülle ich meine Taschen.
Dann geht es wieder auf holprige Pisten und die lange Steigung zum nächsten Pass startet. Genau als es dunkel wird bin ich oben und stelle dann da auch gleich mein Zelt auf.
Tag 5 (171km, 1844Hm, 13h)
Im Tal zwischen den zwei Passhöhen hat es überraschenderweise Wasser, hätte ich also gar nicht so viel mitnehmen müssen. Nach der schnellen Abfahrt treffe ich auf die Hauptstrasse zum Torugart Pass hoch. Es ist die längste Strecke auf gutem Asphalt im ganzen Rennen. Ich komme aber gar nicht gut voran. Die vielen Stunden auf dem Velo in den letzten Tagen habe ihre Spuren hinterlassen. Mein Hintern und mein Rücken schmerzen extrem. Ich kann nur noch kurze Stücke fahren und brauche viele Pausen. Ein schlechter Tag, ich leide fürchterlich.
Am Torugart Pass hat überraschend ein Shop offen wo es Getränke und Snacks gibt. So wird er denn bereits belagert von etlichen Fahrern als ich ankomme. Nach dem Zoll geht es in ein einsames Tal welches entlang der chinesischen Grenze führt. Zeitweise ein ganz übles Geholper und ich bin froh als es endlich dunkel wird und ich das Zelt aufzustellen kann.
Tag 6 (146km, 1588Hm, 13h)
Dem Rücken geht es wieder etwas besser. Fahrt zum Checkpoint 2 den ich am Mittag erreiche. Danach folgt die steilste Schiebepassage des Rennens. Etwa 300 Höhenmeter gilt es auf dem mit 30-40% abartig steilen Pfad zu überwinden. Ich kenne die Strecke bereits, konnte mich gut darauf einstellen und habe das Gefühl, ich fliege richtiggehend hoch. Zur Belohnung gibt es danach einen grossartigen Single Trail runter ins Tal. Am Nachmittag fahre ich bei mühsamem Gegenwind einen Pass hoch. 40 km vor Naryn wird es dunkel. Anders als die meisten anderen Fahrer fahre ich nicht weiter um die Stadt zu erreichen, ich schlafe auch hier kurz davor gut.
Tag 7 (152km, 2225Hm, 13h)
Naryn ist schnell erreicht und ich erledige Einkäufe und esse etwa in einem Restaurant.
Als ich wieder starte brennt die Sonne erbarmungslos. Die ersten 50km aus Naryn sind ein mühsames Geholper und ich bin froh als das Tal dann endlich enger wird. Ab hier hat es nun zwar mehr Steigungen, aber das Tal ist hier wunderschön und die Fahrt viel kurzweiliger. Über einen knackigen Pass geht es als Abstecher in ein einsames Nebental. Beim Sonnenuntergang zelte ich an einem tollen Platz am Fluss.
Tag 8 (143km, 1628Hm, 12 1/2h)
Mist es regnet! Widerwillig ziehe ich die Regensachen an und starte dann. Genau jetzt geht es oft über Wiesen. Diese verwandeln sich jetzt schnell in Schlammpfade und ein paar mal habe ich Mühe durchzukommen und die Räder blockieren. Das ohnehin schon lange Tal zieht sich so noch mehr in die Länge. Nach dem Mittag hört der Regen endlich auf. Es gilt jetzt noch die steilen Spitzkehren zum Arabel Pass hoch zu klettern. Oben wieder wunderbares Wetter und eine grossartig Sicht auf die umliegenden Berge. Innerhalb von wenigen Minuten beginnt es dann aber wie aus dem Nichts zu schneien. Es sind nur noch etwa 8 km dann beginnt die Lange Abfahrt zum Issyk Kul, also fahre ich weiter. Der Schneefall ist zum Schneesturm geworden. Genau von vorne peitscht mir Wind und Schnee ins Gesicht. Sehen tue ich kaum noch etwas. Es scheint ewig zu dauern ehe sich die Strasse endlich nach unten neigt. Aus der eigentlich guten Strasse ist ein Schlammbad geworden. 2500m runter fahre ich darauf. Als ich unten ankomme ist restlos alles mit einer dicken Dreckschicht überzogen. Zun Glück ist hier Checkpoint 3 wo ich mich und das Velo wieder einigermassen putzen kann. Ich geniesse die erste Dusche seit dem Start und würde am liebsten dort gleich einschlafen.
Tag 9 (102km, 3370Hm, 14h)
Bevor es zum eigentlichen Hindernis des Tages, dem Tong Pass geht, gibt es noch einen kleinen Vorhügel. So kommt es, dass ich am Fuss der 2200m langen Steigung bereits 1200 Höhenmeter auf dem Tacho habe. Ob ich da noch hoch komme? Der Weg ist von Beginn weg steil und ab 3200m kann ich nicht mehr fahren weil es zu steil/verblockt ist. Die letzten 400m geht es in komplett verschütteten Kehren durch einen Geröllhang hoch. Kurz vor dem Pass liegt Eis und Schnee an einer ausgesetzten Stelle. Jetzt blos konzentrieren. Als ich die Passhöhe auf 4018m endlich erreicht habe geht gerade die Sonne unter. Ein absolut magischer Moment, wie all die Gletscher und Berge in der untergehenden Sonne leuchten. Hier oben kann ich natürlich nicht bleiben, also geht es im Dunkeln auf der anderen Seite runter. Der Weg ist derart verblockt dass ich den ganzen Weg bis ins Tal schieben muss. Als ich kurz vor dem Talboden in der kompletten Dunkelheit noch durch einen ziemlich wilden Bach furten muss reicht es mir. Auf der nächsten flachen Stelle stelle ich das Zelt auf.
Tag 10 (172km, 969Hm, 11h)
Sieht eigentlich nach einer einfachen Etappe aus heute. Nur ein kleiner Pass, dafür aber viele Km über üble Waschbrettpisten. Um 18:00 bin ich in Kolchor. Eigentlich hätte ich noch 3 Stunden zum Fahren, aber ich bin erschöpft und entschiede mich heute hier in der Stadt zu bleiben und mich hoffentlich etwas zu erholen. Die letzten Tage sollen die schwierigsten sein...
Tag 11 (93km, 2790Hm, 13 1/2h)
Gut erholt starte ich am nächsten Morgen früh. Auf einer guten Piste geht es bis auf 2500m. Ab hier sind nun aber die berüchtigten 20km schieben über den Shamsi Pass angesagt. Besonders der Mittlere Teil ist extrem mühsam, weil hier alles verblockt ist und das Durchkommen mit dem Velo sehr anstrengend ist. Oben ist es dann einfacher, es geht einfach ein sandiges Geröllfeld hoch. Die andere Seite ist in etwa ähnlich: oben steiler Sand unten verblockte Wege. Als ich freue mich, als ich endlich wieder fahren kann. Es gibt dafür nun noch paar tiefe Furten zu durchqueren. Unten macht die Route eine Spitzkehre und führt gleich wieder so steil bergan, dass nur schieben möglich ist. Oben auf der Anhöhe wird es zum Glück dunkel und ich sacke erschöpft in meinem Schlafsack zusammen.
Tag 12 (133km, 2584Hm, 13h)
Es folgen noch 2 weitere kurze aber steile Hügel ehe es in einer langen Abfahrt runter geht. So tief runter wie ich noch gar nie war und hier brennt die Sonne mal wieder brutal. Irgendwie ist mir beim kreuzen der Hauptstrasse bei der Hitze überhaupt nicht danach jetzt von ganz Unten wieder rauf zu fahren, insbesondere bei der Hitze. Doch als ich dann im Tal drin bin ändert sich das zum Glück. Es ist ein wunderschönes Tal und jetzt mit der untergehenden Sonne im Rücken ganz besonders. So weit es geht fahre ich noch hoch zum letzten Pass und zelte dann.
Tag 13 (83km, 1640Hm, 9h)
Noch 20km geht es in das Tal hinein, dann dreht die Route nach Süden in die Berge. Es ist eine alte Strasse welche eigentlich gut zu fahren ist, aber inzwischen ist sie alle paar hundert Meter verschüttet von grossen Felsbrocken. Irgendwann ist dann definitiv Schluss mit Fahren und ich bin mal wieder am Schieben um und über all das Geröll. Kurz vor Mittag habe ich es dann geschafft: ich bin oben auf dem letzten Pass!
Natürlich kann ich nun nicht einfach runter fahren, das wäre ja zu einfach. Es folgen noch viele Rutsche über die ich das Velo schieben oder tragen muss bis ich endlich aufsitzen kann. Der Pfad ist hier aber extrem ausgewaschen. Mir jetzt völlig egal, ich brettere wie ein Bescheuerter runter Richtung Issyk Kul. Dort geht es noch 20km dem Ufer entlang und dann habe ich das Ziel erreicht. Ich bin erschöpft aber unglaublich glücklich. 12 Tage und 6 Stunden (inklusive den 9 Stunden wegen dem verspäteten Start) habe ich für die Strecke gebraucht (Rang 27), ich bin mehr als zufrieden, vor allem wenn man bedenkt dass ich kaum Nachts gefahren bin.
Fazit
Das Rennen war hart und brutal, teilweise richtig brutal. Trotzdem habe ich die Fahrt genossen und es hat richtig Spass gemacht. Für mich war vor allem neu, so viele Stunden im Sattel zu verbringen pro Tag, über eine so lange Zeit den Körper so ans Limit zu pushen.
Am Besten gefielen mir die richtig extremen Situationen, die teilweise unmöglich ruppigen Pisten über die ganz hohen Pässe, die Schneestürme da oben und dann als Belohnung diese magischen Momente wenn ich oben stand und diese unglaublich wilde und schöne Bergwelt bestaunen konnte.
Die Schwierigkeit dieses Rennens machen nicht so sehr die reinen Zahlen aus: 1700km und 27'000 Höhenmeter. Es ist vielmehr die Komplexität so vieler Aspekte: die vielen hike a bikes, das oft extreme Wetter (zwischen Schneesturm und 40 Grad Hitze), Gesund zu bleiben (Essen und Überbelastung), das richtige Material und keine Defekte zu haben (oder in der Lage zu sein, sie zu beheben), lange zermürbend Waschbrettpisten, Die Abgelegenheit und genug (aber auch nicht zu viel) Essen und Wasser dabei zu haben, die Einteilung des Rennens (wie weit und lang soll ich täglich fahren, damit ich das fast 2 Wochen durchhalten kann) und schliesslich ist es natürlich vor allem eine Kopfsache, dass ich mich über eine so lange Zeit jeden Tag erneut motivieren kann weit über meine eigenen Grenzen zu gehen.
Training
In den 7 Monaten vor dem Rennen habe ich insgesamt 170'000 Höhenmeter zurückgelegt (mit Ski, zu Fuss, mit Velo). Die Beine waren perfekt. Ich hätte in der Vorbereitung aber insbesondere meinen Rücken noch besser trainieren sollen, das hätte mir wohl einige Schmerzen erspart.
Ausrüstung
Velo und Ausrüstung waren x-fach erprobt und machten keine Probleme. Nichts zuviel, nichts zu wenig. Keine Defekte am Velo.