Turkmenistan
5 Tage Zeit habe ich gekriegt, um die 500km quer durch Turkmenistan zurückzulegen. 'Peanuts' habe ich gedacht, als ich das Visum in Ankara erhalten hatte. Doch bereits auf dem Weg zur Grenze ahne ich, dass es eventuell doch nicht so einfach wird. Der Wind hat aufgefrischt...
An der Grenze muss ich diverse Formulare ausfüllen, dem Doktor ein 'Daumen hoch Zeichen' geben und meine Taschen werden durchleuchtet. Doch die Leute sind alle freundlich und nach einer Stunde darf ich weiter. Ob ich mich darob freuen soll, bin ich mir im Moment als ich das Gebäude verlasse nicht mehr so sicher. Draussen bläst ein veritabler Sturm und vor lauter Staub sehe ich kaum weiter als die ersten paar hundert Meter. Gleich zu Beginn werde ich einige Male regelrecht in den Strassengraben gefegt vom Wind! Auf guter, ebener Strasse quäle ich mich mit weniger als 12km/h dahin. Kurz vor Sonnenuntergang falle ich dann erschöpft vom Velo. Lächerliche 80km stehen auf dem Tacho und ich fühle mich, als ob ich 200 gefahren wäre. Mein Zeitplan ist bereits arg in Schieflage.
Als ich am nächsten Morgen um 5 erwache und feststelle, dass es weniger windet, bin ich 20min später bereits im Sattel und versuche Boden gut zu machen.
Die grossen Ebenen sind durchzogen von vielen Kanälen. Um die Landwirtschaftsproduktion (insbesondere Baumwolle) zu fördern, haben Soviet Planer in den 60er Jahren dieses riesige Bewässerungssystem erstellt und dabei rücksichtslos dem Aral-See weiter nördlich praktisch alles Zufluss-Wasser weggenommen. Der See ist heute noch ein Bruchteil seiner ursprünglichen Grösse - Eines der ganz grossen ökologischen Disaster Zentralasiens.
Ausser der trockenen, endlosen Karakum Wüste und einigen unspektakulären, staubigen Städten hat Turkmenistan landschaftlich nicht viel zu bieten. Die Haupt-Attraktion von Turkmenistan sind seine Bewohner! Es sind unglaublich fröhliche Leute mit einer gesunden Portion Humor. Wenn ich wieder ein paar Stunden durch die öde Landschaft gefahren bin und bei einem Restaurant anhalte, dann artet das immer in ein lautes Gelächter aus. Die Turkmenen haben immer einen Witz bereit, meistens über sich selbst.
Ein Autofahrer, der gut Englisch spricht, hat mich angehalten. Er fährt gerade in die Gegenrichtung, lädt mich aber zu sich nach Hause ein. Er gibt mir seine Adresse und wir verabreden uns bis zum Abend. Der Wind ist etwas weniger stark, aber immer noch da. Bis ich den Ort erreicht habe, muss ich noch lang kämpfen, doch dann bin ich da. Beim ersten Laden lasse ich mir den Weg zur Adresse erklären und kriege ein perfektes Kroki gezeichnet. Als ich 1 Stunde später immer noch am Fahren bin und alle Leute bei meiner Frage nach MIR (so heisst die Strasse) immer noch weiter zeigen, glaube ich bald, dass ich heute wirklich noch bis zur Raumstation fahren muss!
Dann aber scheine ich da zu sein und ein Junge zeigt mir ein Haus. Ich gehe rein. Der Mann heisst auch Anton und die Strasse MIR, doch davon scheint es irgendwo noch eine zweite zu geben. Die Leute empfangen mich aber herzlich und machen mir schnell klar, dass ich jetzt halt einfach ihr Gast sei! Als die ersten Flaschen Wodka auftauchen, versuche ich mich herauszureden, dass ich nach 2 Monaten Abstinenz und heute 9(!) Stunden im Sattel wohl besser Chay trinken sollte. Ohne grossen Erfolg...
Die bewässerten Ebenen liegen nun hinter mir und es geht noch einmal 200km raus in die Karakum Wüste. Der Wind wird wieder stärker und ich leide 2 Tage lang fürchterlich, bis ich endlich Turkmenabad am Horizont sehe.
Ein Lieferwagen hält an und fragt mich, wo ich denn hin wolle. Ein Hotel suche ich. Was Hotel, das sei blos teuer und zudem langweilig. Langweilig wird es mir an diesem Abend wirklich nicht, als ich zusammen mit der Grossfamilie das herrliche Nachtessen geniesse. Zuvor gehen wir aber noch mit den Kindern in den nahen Fluss zum Baden. Gibt es etwas Besseres nach einer Fahrt durch die Wüste? Geschlafen wir draussen unter freiem Himmel auf grossen Bettgestellen. Im Haus wäre es viel zu heiss.
Turkmenistan ist ein Polizeistaat und entsprechend viele Polizei-Checkpoints hat es entlang der Strasse. Doch diese sind bald interessierter daran, eine Runde mit meinem Velo zu fahren, als meinen Pass zu sehen. An der Grenze meint der Zöllner, der mein Gepäck kontrollieren soll blos: "I trust you!". Da nimmt es sein Usbekischer Kollege schon etwas genauer. Vor allem meine Apotheke nimmt er ganz genau auseinander und will bei jeder Tablette wissen, was es ist.
Usbekistan
Den Kamel-Karavanen muss es damals ähnlich ergangen sein wie mir nun, als sie nach tagelangem Marsch durch die Wüste die ersten Minarets von Bukhara erblickten. Die Stadt ist gestossen voll mit Moscheen, Medressas, Mausoleen und Caravansarais und macht fast den Eindruck eines Freiluftmuseums. Die Verziehrungen der Gebäude sind etwas weniger bunter als jene im Iran und es dominieren häufiger auch Erdtöne.
Es ist ja kein Geheimnis, dass ich am liebsten in den Bergen radfahre. Doch davon war in letzter Zeit nicht viel zu sehen. Schon viel zu lange bin ich durch endlose flache Ebenen gefahren. Ich kann es kaum noch erwarten, bis es endlich in die Berge geht. Auf dem Weg nach Samarkand suchen die Augen immer wieder den Horizont ab, bis es endlich soweit ist: zuerst nur ganz schwach, dann immer deutlicher erheben sich dort die ersten Berge. Nach fast 6 Monaten und knapp 12'000km habe ich Samarkand erreicht, am Fusse des Pamirs!
We travel not for trafficking alone
By hotter winds our hearts are fanned
For lust of knowing what should not be known
We take the Golden Road to Samarkand.
Samarkand - keine andere Stadt ist so eng verknüpft mit den Legenden der alten Seidenstrasse. Vom 2. bis 13. Jahrhundert war Samarkand in der Mitte dieser Handelsstrasse welche den Westen mit dem Osten verband und einen Austausch von Gütern, Religionen und Ideen ermöglichte.
Auf der Suche nach einer Unterkunft fahre ich bereits am Registan, dem Highlight von Samarkand, vorbei. Sprachlos bleibe ich stehen und starre die Minarets und Iwans an. Es sind nicht so sehr die einzelnen Gebäude, als vielmehr deren Kombination welche den Ort so atemberaubend machen. Mehr als einen Monat ist es her, als ich die letzten Touristen getroffen habe (!) und ich muss mich erst etwas daran gewöhnen, dass es nun plötzlich wieder so viele hat. Aber ich geniesse es natürlich auch, endlich mal wieder etwas ausgiebiger zu plaudern.
Bevor es nun aber in die Berge geht, mache ich mit dem Bus einen Abstecher nach Tashkent, wo ich im Moment auf ein China Visum warte...
Tadjikistan
Die Grenze zu Tadjikistan ist etwas chaotisch. Es hat nur ein paar Blechhütten. Ich werde von einem Beamten nach dem Inhalt meiner Taschen befragt, kriege aber trotz Nachfragen nicht mal einen Stempel in meinen Pass.
Als man mich vor der Reise gefragt hat, auf welches Land ich mich denn am meisten freue, war das nach Tibet ganz klar Tadjikistan. Ich bin also gespannt, was mich erwartet. Die Begrüssungen hier gefallen mir auf jeden Fall schon mal sehr gut: Zum einer leichten Verbeugung geht die rechte Hand zum Herzen hin.
Schon bald nach der Grenze fahre ich einem schönen Tal entlang, welches immer enger und schliesslich zur Schlucht wird. Auf den wenigen flachen Stellen im Tal hat es kleine Dörfer, deren grüne Felder einen schönen Kontrast zu den roten Bergen bilden. Dass ab hier ein anderer Wind weht in Bezug auf die Strassen, wusste ich und habe mich auch darauf gefreut. Dass es aber gleich so heftig losgeht, überrascht mich dann doch etwas. Asphalt, wenn es denn ab und zu welchen hat, scheint nur noch da zu sein, um Schlaglöcher einzurahmen! Obwohl das Tal nur langsam ansteigt, fahre ich ständig steile Rampen rauf und runter. Ich muss mich erst an den neuen Massstab gewöhnen. Waren bisher 130km an einem guten Tag kein Problem, sind nun 80km das Höchste der Gefühle.
Auf der rechten Talseite tauchen immer wieder tolle, ьber 5500m hohe, schneebedeckte Berge auf - die Fan Mountains! bereits hier kann ich es nicht lassen einen ersten Abstecher in die Berge zu machen. Auf einer zum Schluss viel zu steilen Strasse für meinen Schwertransporter fahre ich zum Iskander Kul See. Das Wasser im See auf 2200m hat Gletscherwasser Temperatur. Doch nach ein paar Tagen auf der staubigen Strasse lasse ich mich nicht zweimal Bitten, hier Baden zu gehen. 2 Tage lang geniesse ich die tolle Gebirgsgegend und die endlich angenehmen Temperaturen. Ach ja und dann wurde ich noch verheiratet, doch diese Geschichte habe ich versprochen für mich zu behalten... :-)
Wieder zurück auf der Hauptstrasse führt die diese rauf zum ersten grossen Pass. Während es immer höher geht, fahre ich an herrlichen Alpwiesen vorbei. Dann sehe ich 1300m weiter oben am schneebedeckten Grat die Passhöhe auf 3374m. Während der Fahrt noch Oben blühe ich richtiggehend auf und bin in Hochstimmung als immer neue Berge und Gletscher rundherum auftauchen. Einzig der feine Staub auf der Strasse ist weniger toll. Schon bald haben das Velo und ich die rotbraune Farbe perfekt übernommen.
40km vor Dushanbe wird die Strasse plötzlich sehr gut. Später erfahre ich, dass genau hier der Präsident eine seiner Dachas hat...
Das nächste Ziel ist der Pamir Highway. Eine Hochgebirgsstrasse mitten durch den Pamir, gebaut von Sovietischen Ingenieuren in den 30er Jahren. Offiziell beginnt dieser aber erst in Khorog. Die gut 500km Anfahrt haben es aber auch schon in sich. Auf den ersten 80km ist die Strasse noch relativ gut. Dann aber geht es kräftezehrend in wildem Auf und Ab einem Fluss entlang auf einer oft sehr holprigen Strasse. Immer wieder stehen verrostete Panzer entlang der Strasse: traurige Zeugen des Büregerkrieges, der hier noch in den 90er Jahren herrschte.
Es war nur eine Frage der Zeit auf diesen Strassen: Nach 12'000km habe ich nun tatsächlich meinen ersten Platten!
Bei einem grossen Bach wurde die Brücke von einem Unwetter weggespühlt. Furten ist angesagt. Ich gehe zuerst ohne Gepaeck um zu sehen, wie tief es ist. Fast bis zu den Hüften kommt das kalte Wasser und so trage ich alles einzelnen rüber. Die Abkühlung kommt mir gerade recht. Als ich das Velo auf der anderen Seite die steile Rampe zurueck zur Strasse geschoben habe, 'koche' ich jedoch bereits wieder.
Dann endlich hat das Auf und Ab ein Ende: es geht rauf zum 3252m hohen Khaburabot Pass. Ab 2500m fahre ich wieder durch herrlich grüne Wiesen geschmückt mit unzähligen Blumen. Beim Zelten knapp unterhalb des Passes werde ich von einem heftigen Gewitter überrascht. Der erste Regen seit 2 1/2 Monaten!
Wieder unten im Tal, fahre ich 3 Tage lang dem Payni Fluss entlang, welcher die Grenze zu Afghanistan bildet. Die Strasse ist zwar oft holprig, aber meistens asphaltiert. Im Tal hat es oft kleine Dörfer auf beiden Seiten. Streckenweise ist es aber auch eine enge felsige Schlucht. In dieser heizt sich die Luft Nachmittags jeweils sehr stark auf. Dann flüchte ich jeweils in eines dieser kleinen Restaurants. Diese scheinen wie gemacht für müde Radler: Nichts geht über ein Nickerchen auf diesen 'Bettgestellen' ausgestattet mit reichlich Teppichen und Kissen unter den schattigen Bäumen während den heissesten Nachmittags Stunden.
Bam-i-Duna, 'Dach der Welt' wird der Pamir von den Einheimischen genannt. Von Khorog aus steigt die Strasse aber erst nur sehr langsam auf dieses Dach. Während der Fahrt durch das fruchtbare Tal tauchen in den Seitentälern immer wieder tolle Berge auf. Nach dem letzten Dorf finde ich einen tollen Zeltplatz direkt am Ufer des kristallklaren Bergbaches. Am nächsten Tag will ich einen Abstecher zum Turuntai See machen. Doch die Piste ist dermassen schlecht und steil, dass ich nach einer Stunde schieben die Sinnlosigkeit einsehe und aufgebe.
Mittlerweilen bin ich auf 4000m. Schon so oft bin nun schon auf diesen Höhen mit dem Velo unterwegs gewesen. Doch diesmal erwischt mich die Höhenkrankheit in voller Stärke und mit allen Symptomen: Kopfschmerzen, Übelkeit, Kraftlosigkeit und Appetitlosigkeit. Auch wenn es mir nicht einfach fällt, muss ich noch einmal einige 100m runter fahren und stelle dort das Zelt auf, obwohl es erst Mittag ist. Den ganzen Tag liege ich wie eine tote Fliege im Zelt, zu Müde irgend etwas zu tun oder zu Essen. Wenn es Momente auf dieser Reise gibt, wo ich mich wirklich alleine fühle, so sind es diese, wenn es einem so richtig mies geht. Am nächsten Morgen sind die Sympyome zum Glück verschwunden. Ich fühle mich wieder prächtig und nehme die letzten Steigungen zum 4272m hohen Koy Tezek Pass in Angriff.
Das Überschreiten der 4000er Marke ist wie ein Eintritt in eine andere Welt - meine Welt! Nirgends ist die Luft so klar, sind die Farben so intensiv, ist die Natur so unberührt und ist die Ruhe so vollkomen.
Der Pamir hat 2 Gesichter. Im Westen, da wo ich bislang unterwegs war, sind das tiefe Täler mit Flüsse und grosse, spitze Gipfel. Im Osten ist es ein trockenes Hochplateau auf 4000m mit rollenden Hügeln - ähnlich wie Tibet. Der Pass den ich gerade überquere bildet genau die Grenze dieser 2 gegensätzlichen Gebiete.
Der nächste Abstecher von der Hauptroute bringt mich zum Türkis farbenen Yashil Kul (Grüner See). Kurz davor liegt ein kleines Dorf - Bulunkul. Wenn es ein Ende der Welt gibt, dann muss es hier sein, dieses Dorf ist so etwas von abgelegen.
Unterstützt von einer NGO gibt es im ganzen Pamir an vielen Orten in privaten Häusern und Jurten einfache Unterkünfte. Eine tolle Gelegenheit, einen Einblick in das Alltagsleben zu bekommen, welche den Leuten zudem einen kleinen Nebenverdienst sichert. Allerdings ist der Tourismus hier noch mehr als in der Kinderschuhen. Weniger als 200 Touristen besuchen den Pamir pro Jahr...
Nur gerade 2km bleibe ich nach diesem Abstecher auf der Hauptstrasse, als mich der 4344m hohe Kargush Pass bereit wieder weglockt. Und einem hohen Pass konnte ich ja noch nie widerstehen...
Ich zelte auf der Passhöhe, mache noch eine kurze Wanderung auf einen kleinen Hügel und geniesse von dort einen fantastischen Blick Richtung Whakan Tal.
Wieder zurück, fahre ich nun über diese trockene Hochebene. Salzseen bilden einen willkommenen Kontrast in dieser wüstenartigen Gegend, welche kaum ständig bewohnt wird. Den Sommer über aber stellen Kirgisische Hirten ihre Yurten auf den wenigen grünen Flecken auf und lassen hier ihre Kühe, Yaks und Schafe grasen.
Sie hatten mich per email 'gewarnt', die Freude ist dann aber gross, als ich meine slowenischen Freunde, bei denen ich ganz zu Beginn der Reise in Ljubljana zu Gast war treffe. Sie sind während 4 Wochen mit dem Velo im Pamir unterwegs und wir verbringen einen unterhaltsamen Abend zusammen und haben uns viel zu erzählen.
Der nächste Abstecher bringt mich zum Rang Kul. Ein weiterer grosser Salzsee mit toller Sicht auf den 7500m hohen Muztagh Ata, der östlich von hier in China liegt.
Die Fahrt dahin werde ich aber so schnell nicht mehr vergessen. Unzählige Moskitos verfolgen mich und treiben mich fast in den Wahnsinn. Ich habe mich zwar mit Mückenschutzmittel eingerieben, doch die Biester stechen mich durch die Radhose. Am Abend zähle ich 50 Stiche alleine in meinem Hintern! Wenn es einen Ort gibt, wo ich keine Moskitos erwartet hätte, dann hier in dieser Wüstenartigen Gegend auf fast 4000m.
Über den 4644m hohen Ak Baital Pass geht es zum Karakul See. Karakul? hatten wir das nicht schon mal? Tatsächlich, nur 100km östlich von hier am Kharakorum Highway gibt es auch einen Karakul, an dem ich vor 8 Jahren gezeltet habe.
Mein Visa für Kirgistan beginnt erst in ein paar Tagen und so geniesse ich ein paar ruhige Tage rund um den See mit toller Sicht auf den Pik Lenin (7134m) und andere schöne Schneeberge bevor es weiter zur Grenze geht.
Kurz vor der Grenze wird der Gegenwind wieder einmal sehr stark. Als ich kaum noch vorwärts komme, beschliesse ich das Zelt aufzustellen. Ich bin gerade mitten in einer wüstenartigen Mondlandschaft. Kaum steht das Zelt, wird der Wind immer stärker und schliesslich wird es ein gewaltiger Sandsturm, der über mein Zelt hinweg peitscht. Drinnen tönt es, asl ob es in strömen regnet. Doch der Sand fegt nicht nur über mein Zelt hinweg, sondern findet den Weg, gesiebt durch die Moskito-Netze auch ins Innere. Bald ist alles mit einer dicken Sandschicht belegt. So geht das mehrere Stunden lang weiter, ich habe bald das Gefühl bei lebendigem Leibe begraben zu werden. Als gegen Abend endlich Ruhe herrscht, schöpfe ich den Sand Becherweise aus dem Zelt. Noch lange werde ich an dieses Ereignis erinnert; der Sand ist selbst nach Tagen einfach überall...
Kirgistan
Die Grenze nach Kirgistan überquere ich auf dem 4280m hohen Kizil Art Pass. Der Zoll soll aber erst 20km weiter unten sein und so übernachte ich schon mal in Kirgistan, obwohl mein Visum erst Morgen beginnt.
Nachdem ich letzthin etwas Pech mit meinen Zeltplätzen gehabt habe (Mückenplage, Sandsturm), soll es Heute besser werden. Und tatsächlich finde ich einen Platz der Königsklasse: Abseits der Strasse auf einer schönen Blumenwiese, umgeben von unzähligen Edelweiss, neben einem kleinen Bergbach, inmitten einer Murmeltier-Kolonie und mit grandioser Aussicht auf die Gletscherbedeckten 6000er auf der anderen Talseite. Na also, geht doch!
Bin ich schon einmal um die Erde rum? Der erste Anblick Kirgistans lässt mich tatsächlich glauben, dass ich irgendwo in den Alpen angekommen bin. Herrlich grüne Wiesen überall. Doch auf den Wiesen stehen keine Alphütten sondern Yurten. Also doch nicht die Alpen. Es ist wunderbar idyllisch: all diese Grün, die vielen grossen Yak und Pferde Herden und die schneebedeckten Berge im Hintergrund. Das Beste aber ist der Blick zurück. Wie eine gigantische Wand steht da der Pamir, aus dem ich eben gekommen bin.
So wie die Landschaft an die Alpen erinnert, sind auch die Pässe ähnlich wie dort. Es geht nun nicht mehr über endlos langsame Steigungen in die Höhe, sondern kurz und steil, oft in engen Spitzkehren.
Zwei recht anstrengende Tage fahre ich ab der Grenze noch, bis ich in Osh eintreffe, die erste grosse Stadt seit langem. Ich stürme sofort in ein Chaikhana (Teehaus) und ordere gleich 3 Menüs auf einmal. In den letzten Wochen musste ich etwas schmal durch und das Essen war meistens sehr einfach. Nie schmecken frische Früchte so süss, wie wenn man darauf verzichten musste für eine Weile. Ein letzter Blick in den Pamir
Eigentlich hatte ich geplant gehabt, noch eine kleine Runde durch Kirgistan zu fahren. Doch die Zeit wird mir dann doch zu knapp und so fahre ich von Osh mit einem Jeep zurück nach Sary Tash. Von hier geht es nun Richtung China. In den letzten 2 Tagen hatte es in der Umgebung geregnet und so wird die Fahrt über den Irkestam Pass zu einer fürchterlichen Schlammschlacht. Knöcheltief ist der Morast und die Lastwagen haben tiefe Fahrspuren hinterlassen.
Während der gesamten Fahrt zur Grenze fahre ich entlang den tollen Bergen des Pamirs, die hier mit ihren gletscherbedeckten Flanken Spalier stehen.
Dass China überall auf dem Weltmarkt Altmetall zusammenkauft, habt Ihr bestimmt auch schon mal gehört. Hier aber wird das Ganze bildlich umgesetzt: Eine stetige Kolonne von Lastwagen fährt Richtung China, alle bis unters Dach beladen mit Schrott. Das Zollgelände von Kirgistan sieht dann auch aus wie ein einziger grosser Schrottplatz.
China
Als ich das chinesische Zollgebäude erreiche, steht die Uhr bereits auf 12 Uhr. Die Grenze zu China ist vermutlich der einzige Ort auf diesem Planeten, wo selbst Velofahrer beim Überschreiten einen Jetlag bekommen können! Ganze 3 Stunden(jetzt mit Sommerzeit 2) Zeitunterschied zu Kirgistan haben die hier, in China laufen alle offiziellen Uhren nach Bejing Zeit und das obwohl Bejing noch über 4000km Luftlinie von hier entfernt ist! Der Grenzübertritt ist problemlos und effizient. Als ich das Gebäude verlasse, salutiert mir ein junger Soldat zu "welcome to China!". Ordinanzgemäss grüsse ich zurück. Gelernt ist schliesslich gelernt.
Noch 230km sind es bis Kashgar. Die Strasse ist göttlich. Seit dem Iran hatte ich keinen solch guten Belag mehr und so geniesse ich die 'Sonntagsfahrt', wohlwissend dass es bald die letzte solche Strasse für eine Weile sein wird. Entlang der Strasse treffe ich immer wieder auf Kamele, die ersten Vorboten der Taklamakan Wüste.
Auf Kashgar war ich besonders gespannt. Ich war ja bereits vor 8 Jahren hier und habe die verschiedensten Sachen gehört, wie sich die Stadt verändert haben soll. Der 'Schock' beginnt bereits 18km vor der Stadt, als ich auf die '314', die Strasse welche nördlich um die Taklamakan herum nach Osten führt, einbiege. Aus der kleinen Provinzstrasse ist eine brandneue, riesige Autobahn geworden. Seit Griechenland war ich ja nicht mehr auf einer Autobahn gefahren, also nichts wie rauf, es hat ja kaum Verkehr. In der Stadt kriege ich den Mund erst fast gar nicht mehr zu. Überall neue breite Strassen, riesige Shopping center, neue grosse Gebäude und Fast Food Ketten. Ich erkenne den Ort fast nicht wieder. Unglaublich, wie sich die Stadt entwickelt hat. So etwas kriegen nur die Chinesen hin. Das gute alte Seman Hotel, wo es billige Zimmer gibt, steht aber zum Glück noch. Aber das Essen... darauf hatte ich mich ja wirklich gefreut und es ist halt schon einfach genial hier! Ideal um noch ein paar Reserven anzulegen...
Dann ist für mich mitten im August Weihnachten: Ich erhalte ein Riesen-Packet, dass ich mir hierher habe schicken lassen. Nein, es ist keine Schweizer Schoggi oder Käse drinn. Auch wenn ich dafür mittlerweile viel geben würde... Es sind dringend benötigte Ersatzteile für mein Velo. Dieses bekommt hier eine Generalüberholung. Es gibt neue Reifen und einen komplett neuen Antrieb. Die Zuverlässigkeit meines Velos ist mir ja inzwischen schon fast etwas unheimlich geworden: Auf den 13600km hatte ich gerade mal 3 Platten und eine abgebrochene Gepäckträger-Öse - sonst Nichts, absolut Nichts!
Allmählich wird es Zeit, das logistische Hauptproblem dieser Reise zu lösen: das China Visum. Ich möchte durch West- und Ost-Tibet fahren und brauche dazu dafür mindestens 4 Monate. In ganz Zentralasien kann man aber höchstens ein 3-Monats Visum kriegen und Verlängern geht, einmal in Tibet, nicht, da ich dort nicht ganz legal unterwegs sein werde. Also muss ich etwas tiefer in die Trickkiste greifen: Ich fliege für 3 Tage nach Hongkong, wo ich innerhalb von ein paar Stunden ein 6-Monats Visum kriege! Nun muss ich mir nur noch üerlegen, was ich den Beamten sagen werde, wenn ich mit einem Business-Visum durch Tibet radle...Geschäftreise..?
Wenn ich schon mal da bin, decke ich mich auch gleich noch mit reichlich Futter für die nächsten Wochen ein.
Nun bin ich also wieder zurük in Kashgar, habe ein frisch gewartetes Velo, ein 6-Monate Visum im Pass und bis zum Rand gefüllte Taschen mit Proviamt. Alles ist bereit - ready for rock & roll !