Auf den Meter genau an der Grenze endet der schöne russische Asphalt. Ich habe mich auf die holprigen Pisten in der Mongolei gefreut. Oft sind es gar keine richtigen Strassen sondern einfach Spuren denen alle folgen. In der Ebene sind das oft mehrere dutzend verschiedener Spuren nebeneinander welche alle in die gleiche Richtung führen.

Es geht gleich richtig los. Vor Ölgii hat es einen kleinen Pass und die Spuren gehen einfach gerade hoch: viel zu steil! Der sturmartige Gegenwind trägt das seine dazu bei, dass ich ganz schön ausgepumpt oben ankomme.

Die Fahrt von Ölgii nach Khovd ist besonders schön. Es hat einige Seen, die einen schönen Kontrast in der sonst sehr trockenen Landschaft bieten. Dann geht es über ein paar Pässe von wo ich einen tollen Blick auf gletscherbedeckte Gipfel geniessen kann. Sobald die Landschaft etwas grün ist, hat es viele Yurten und grosse Tierherden. Es gibt aber auch sehr trockene, wüstenartige Abschnitte.

Es ist ja gerade Nadaam, das grosse Mongolische Volksfest. Als ich in Khovd eintreffe findet dort gerade das Pferderennen ausserhalb der Stadt statt. Am nächsten Tag sind die Ringkämpfe. Ein tolles Spektakel, nicht nur die Kämpfe selber sondern auch die Zuschauer und die ganze Jahrmarkt-Stimmung rundherum.

 Mit gefüllten Taschen geht es am nächsten Tag wieder weiter. 430km sind es bis zur nächsten Stadt und dazwischen hat es blos zwei kleine Dörfer. Der letzte Abschnitt vor Altai sieht etwas beunruhigend aus auf meiner Karte: Kein Dorf und kein Fluss auf 240km! Hätte ich gewusst, was da vor mir liegt, ich hätte wohl noch mehr als die 16 Liter Flüssigkeit mitgenommen!

Zunächst geht es raus auf eine Art Hochebene. Weite, magere Wiesen soweit das Auge reicht. Immer wieder treffe ich auf grosse Pferde- und Kamelherden. Dann wird es aber immer trockener. Die Spur wird je länger je sandiger. Bisher konnte ich mich über die Mongolischen Strassen nicht beklagen. Es ist schon holprig, geht aber meist gut zum Fahren. Die folgenden 50km scheinen mir aber zeigen zu wollen, dass es auch anders sein kann. Immer wieder versinkt das Vorderrad im tiefen Sand und ich muss das Velo wieder aus dem Sandloch ziehen. Es gibt nur zwei Varianten: der weiche Sand oder daneben das Wellblech. Was für eine Schinderei und das Wasser wird auch immer knapper.

in Kleinbus mit einheimischen Reisenden macht gerade Rast als ich angefahren kommen. Die Leute können nicht fassen, dass ich hier mit dem Velo unterwegs bin. Sie fragen, ob sie ein Bild von mir machen dürfen: Klar wenn ich dafür meine Wasserflasche an eurem Kanister auffüllen darf! Jetzt hab ich wenigstens wieder etwas Wasser. Es ist wieder sehr heiss, in den oberen 30ern. Doch am Horizont sind schwarze Wolken aufgezogen: ein Gewitter ist im Anzug. Dieser Geruch kurz bevor es regnet, wenn man den Regen schon riechen kann ist einfach fantastisch. Und dann regnet es tatsächlich, während 20min fahre ich durch den leichten Nieselregen. Noch lieber wäre mir allerdings das Wasser in Flaschen abgefüllt gewesen...

Kurz vor Altai überholt mich ein Auto. War das nicht ein Luzerner Kennzeichen? Ich treffe tatsächlich eine Familie aus Sempach und werde grosszügig zum Essen eingeladen. Als wir gerade beim Kaffee sind fährt draussen ein russisches Motorrad mit Seitenwagen vorbei... mit einer Zürcher Nummer! So gibt es also hier mitten im Nichts ein kleines Schweizer Treffen.

So jetzt ist mal wieder genug Wüste. Ich mache einen Abstecher in die Berge. Die Route führt ständig quer über weite, grüne Ebenen. Das ist fantastisch zum Velofahren, anstrengend aber genial. Verkehr hat es auf einen Schlag so gut wie keinen mehr. Blos noch Hirten auf Motorrädern die von einer Yurte zur nächsten fahren. Doch wie soll ich hier den richtigen Weg finden? Ständig teilt sich die Spur. In jedes Tal hoch hat es eine. Ich hatte mir diese Route von der Karte auf das GPS übertragen. Das ist natürlich recht ungenau aber es hilft die ungefähre Richtung zu kennen. Zusammen mit den vielen Hirten die ständig neugierig angeritten kommen und die ich dann fragen kann, ob ich noch richtig fahre, finde ich so den Weg. Es ist wie eine 5-tägige Schnitzeljagd - ständig bin am knobeln wo es denn lang geht.

Am letzten Tag erwischt es mich dann doch noch. Die Spur die ich gewählt habe, führt über einsame Ebenen. Seit einem halben Tag habe ich schon keinen Menschen mehr gesehen. Dann wird es immer sandiger, bis es kaum noch fahrbar ist. Immer öfters bin ich am schieben. Bin ich überhaupt noch richtig? Auf dieser Spur scheint schon ewig niemand mehr gefahren zu sein. Als ich spät am Abend endlich ein paar Häuser des gesuchten Dorfes sehe, bin ich ganz schön erleichtert.

 

Ich bin wieder für eine Etappe draussen in der Wüste. Plötzlich rast ein Auto mit Höchstgeschwindigkeit an mir vorbei. Ich drehe mich um: Auf der ganzen Breite der Ebene steigen Staubfahnen auf. Klar das ist die Rallye von der ich gehört habe. Was für ein Bild: Stellt auch die Autos vor wie sie quer durch die Wüste rasen so richtig Paris-Dakar-mässig und mitten drin dümple ich auf meinem Velo dahin!

Bisher war ich ja im Süden des Landes unterwegs, nun soll es in den Norden gehen. Dazu fahre ich durch die Berge nach Tsetserleg. Eine tolle Fahrt! Es geht durch herrlich grüne Täler und an den Hängen hat es oft Lärchenwald. Auf den Wiesen hat es unglaublich viele Blumen. Riesige Wiesen voller Edelweiss. Am ersten Tag quäle ich mich dafür auf einer Piste ab, die eigentlich eher ein Bachbett ist. Später wird es besser. Es geht nun oft mitten über die Wiese - fantastisch! War es in den letzten Wochen oft sehr trocken und Wasser meist Mangelware hat es hier nun fast des Guten zuviel: alle paar Km darf ich furten!

Je näher zu Tsetserleg komme, desto grösser und tiefer werden die Flüsse. Bei diesem hier sehe ich sofort, dass ich das Velo nicht einfach mehr durchschieben kann. Ich trage zuerst die Fronttaschen rüber. Schon so habe ich Mühe rüber zu kommen. Jetzt das Velo. An der tiefsten Stelle kommt mir das Wasser bis zum Bauchnabel. Die Strömung zerrt mit grosser Wucht am Velo ich kann es nur knapp noch halten. Erschreckt stelle ich fest in was für eine kritische Situation ich mich da gebracht habe: Jetzt ein falscher Tritt und das Velo ist weg! Vorsichtig stemme ich mich gegen die Strömung und taste mich voran bis ich schliesslich das trockene Ufer erreiche.

Von Kharhorin fahre ich für ein paar Tage nach Ulaan Baatar. Hier muss ich das Visum verlängern lassen und ich hole Andrea vom Flughafen ab. Ja, richtig gelesen, in den nächsten 5 Wochen werde ich also nicht mehr alleine unterwegs sein. Nachdem alles organisiert ist, fahren wir zurück nach Kharhorin und starten von hier wieder mit dem Velo.

In einem Land der Nomaden sind sehenswerte Gebäude logischerweise eine Rarität. Das Kloster von Kharhorin ist eine dieser Ausnahmen hier und äussert sehenswert.

Wir fahren in den nächsten Tagen einen weiten Bogen zurück in den Westen und dann nach Norden. Es hat ja diesen Frühsommer ausserordentlich viel geregnet und desshalb sind nun alle Wiesen herrlich grün und voller Blumen. Wir können es optimal einteilen, so dass wir praktisch jeden Abend an einem See oder Fluss zelten wo wir baden gehen können.

Egal wo wir unsere Zelte aufstellen, Abends gibt es immer Besuch von Hirten. Diese 'Unterhaltungen' sind oft sehr lustig. Mit Skizzen und Karten, Bilder und viel Zeichensprache klappt es aber meistens irgendwie.

Das Essen in der Mongolei ist ja auch so eine Sache. Gemüse und Früchte sind hier fast inexistent. Dafür gibt es reichlich Fleisch, vor allem Schaf. Wir dürfen oft Milchtee, frischen Yoghurt und getrockneten Yoghurt probieren. Bei der Familie die uns dann gleich vom eben gegarten Murmeltier die Leber anbieten wollen, lehnen wir dann aber doch dankend ab.

Im Norden wollen wir bis ganz rauf nach Tsagaan Nuur fahren. Im ersten Dorf wo wir nach der Strasse fragen machen uns aber alle zu verstehen, dass das Wasser in den zu überquerenden Flüssen brusttief sein soll. Also fahren wir einen kleinen Umweg.

Die Navigation auf diesen Nebenstrassen ist ja oft nicht ganz einfach, wie ich schon öfters erfahren habe. Wir fahren tagelang auf kaum existierenden Spuren über die offenen Wiesen endloser Weiten. Wenn die Spur dann nicht mehr in die gewünschte Richtung führt fahren wir mehrmals einfach querfeldein, bis wir wieder auf eine Spur treffen.

Die kleinen Dörfer hier im Norden sehen mit ihrer staubigen Strasse, den dort entlang stehenden Blockhäusern und den davor angebundenen Pferden aus wie kleine Wild-West Städte.

Je weiter nördlicher wir kommen, desto grüner wird es, der Wald wird dichter und es wird kälter, massiv kälter! Haben wir noch vor 4 Tagen in jedem Bach ein Bad zur Abkühlung genommen, schneit es nun plötzlich auf den Pässen und am Morgen ist das Wasser in unseren Flaschen gefroren.

Besonders markant ist der Wechsel am letzten Pass von Ulaan Uul: tolle Schneeberge tauchen auf und endlose Wälder auch in den Tälern.

In Tsagaan Nuur ist dann die Strasse definitiv zu Ende. Wir tauschen den Velo- gegen einen Pferdesattel und machen einen Ausflug zu den Tsaatan, ein Volk dass hier in den Wäldern der Grenzregion in Tipis lebt und Rentiere züchtet.

Der Ritt durch den tiefen Lärchenwald, der sich nun langsam herbstlich verfärbt und die weiten Sumpflandschaften ist ein Traum. Nach zwei Tagen erreichen wir die Tipis der Tsaatan in einem schönen Tal gelegen. Ihre Rentiere sehen mit ihrem riesigen, mit Fell überzogenen, Geweih wunderschön aus. Die Leute leben hier mit sehr wenig in ihren einfachen aber gemütlichen Zelten in schöner Symbiose mit ihren Tieren. Von einem Hügel den wir auf einer Wanderung erreichen geniessen wir eine tolle Rundsicht: weite bewaldete Täler, einzelne Seen und tolle Berge und nirgends ein Zeichen menschlicher Existenz.

Nach 4 Tagen Reiten weiss ich nun aber auch dass mein Velosattel definitiv bequemer ist.

Die Route rüber zum Khovsgol Nuur ist auf unserer Karte als Pferdepfad eingezeichnet. Genau so ist dann der Weg auch. Erst geht das recht gut. Dann werden es aber immer mehr Furten bis es schliesslich in Sumpf übergeht. Während 6km schieben wir unsere Velos über einen Pass durch den Knie-tiefen Sumpf!

Dann erreichen wir den See. Unglaublich wie klar das Wasser ist! Es ist zwar sehr kalt aber ein Bad darin lassen wir uns nicht nehmen.

Wir geniessen ein paar Tage am See bei wunderschönem Wetter und einem Ufer single trail der seinesgleichen sucht.

Die gemeinsame Zeit mit Andrea geht leider schon zu Ende. Ab Ulaan Baatar fliegt sie wieder nach Hause. Nach fast zweieinhalb Monaten und 4000km auf Pisten ist auch für mich die Zeit für den Abschied von der Mongolei gekommen.

Als ich diese Reise geplant hatte war es noch problemlos möglich hier ein Visum für China zu erhalten. Seit diesem Frühling ist das aber unmöglich geworden. Auch die Russen wollen mir höchstens 5 Tage geben. Viel zu wenig um irgendwo hin zu kommen. Bleibt also nur der Flug raus hier aus der Mongolei. Blos wohin...?