In Hongkong organisiere ich den nächsten Abschnitt dieser Reise. Das Russische Visum ist noch immer eines der mühsamsten (und teuersten) überhaupt. Ich kann es nur zu Hause bekomme. Also schicke ich den Pass halt zurück in die Schweiz und richte mich aufs Warten ein.

2 Wochen bin ich nun also in einer Stadt in der es momentan so furchtbar schwül-heiss ist, dass man absolut keine Lust hat irgend etwas draussen zu unternehmen und wo die Zimmer für einen Reisenden mit kleinem Budget die Grösse eines Wandschrankes haben.

Ich versuche die Zeit zu nutzen um das Velo mal wieder gründlich zu überholen und mir selbst ein paar Pfunde anzufuttern. In den letzten Wochen habe ich mal wieder sehr viel Gewicht verloren.

Nach 2 Wochen, taucht der Pass dann tatsächlich mit einem kleinen bunten Sticker mehr wieder auf.

Das Chinesische Visum geht dagegen vergleichsweise speditiv und dann kann ich meine Zelte hier endlich wieder abbrechen.

Ich starte den nächsten Abschnitt dieser Reise in Harbin, im Nordosten Chinas. Harbin ist natürlich in erster Linie für sein Eisskulpturen-Festival im Winter bekannt. Jetzt aber ist es auch hier Sommer und das Wetter und die Temperaturen sind eine richtige Freunde nach der Waschküche in Hongkong.

So sehr ich China liebe, mit chinesischen Grossstädten habe ich es nicht so. Doch Harbin überrascht mich sehr positiv. Eine schöne, saubere Stadt mit grosser Fussgängerzone, guten Restaurants, schönen Plätzen und ein einer eindrücklichen Russisch orthodoxen Kathedrale. Definitiv eine der schöneren Städte in China.

Von Harbin aus fahre ich Richtung Norden. Entlang der ganzen Strecke hat es sehr viel Landwirtschaft und mit jedem Tag den ich weiter nördlich komme scheint das Land weiter und offener zu werden.

Abends übernachte ich in kleinen Städten. Nach mehreren Monaten in Indien empfinde ich die Chinesen als ausgesprochen freundlich und ruhig. Es sind kleine Städte in denen wohl sonst nie ein Tourist absteigt. Entsprechend werde ich oft bestaunt wie ein Ausserirdischer. Kein Mensch spricht auch nur ein Wort Englisch. Mir gefällt das. Die Chinesen sind gut in Zeichensprache und irgendwie kriege ich immer, was ich suche.

Die grossen Landwirtschaftszonen habe ich nun hinter mir. Ich bin nun im nördlichsten Zipfel Chinas. Ich bin erstaunt, wie warm es hier ist: Obwohl ich bereits den 50. Breitengrad überquert habe wird es regelmässig am Nachmittag über 30º heiss.

 

Während etwa 2 Wochen fahre ich alles entlang der Grenze zu Russland. Die Distanzen zwischen den Städten werden grösser und dazwischen ist Wald, nichts als endlos weiter Wald, tagelang.

So viel unberührte Natur gefällt mir natürlich. Doch dann wird es dann fast etwas zu viel mit der Natur: erst sind es nur einzelne Bremsen die auftauchen und mich ärgern. Doch schon bald scheint es sich herumgesprochen zu haben, dass hier eine verschwitzter Velofahrer unterwegs ist.

Bald fahre ich konstant begleitet mit einer Staffel von hunderten von Bremsen. Natürlich belassen es die Viecher nicht einfach beim Begleiten, nein in regelmässigen Abständen versucht mal wieder eine ihr Glück und will an mein Blut ran. Und so fahre ich denn schon bald mehr oder weniger wild mit den Händen um mich fuchtelnd durch die Gegend.

Unterstützung kommt von ganz unerwarteter Seite: mein alter Erzfeind der Gegenwind kommt mir zu Hilfe. Ich habe mich wohl noch nie so sehr über starken Gegenwind gefreut wie hier. Denn Wind ist offenbar das einzige was die Bremsen fern hält. Entweder ich fahre selbst so 25 km/h was eigentlich nur in einer Abfahrt möglich ist, oder eben der Gegenwind simuliert das.

Sobald ich anhalte und Abends mein Zelt aufstelle, werden die Bremsen abgelöst im ‚mich Ärgern' durch Moskitos und dichten Schwärmen kleiner Fliegen. Der Zeltaufbau wird jedes mal zu einem Wettlauf bis ich dann hinter dem sichern Netz des Innenzeltes endlich meine Ruhe habe. 

Die Wälder gehen dann bei Hunlunbuir über in Grasland. Den Bremsen scheint es hier nicht mehr zu gefallen und ich traure dem Abschied nicht nach.

Es sind wunderschöne sanft geschwungene Hügel mit Wiesen und weiten Rapsfeldern. Vereinzelt hat es bereits einzelne Yurten und immer wieder grosse Pferde und Schafherden. Es ist die chinesische Variante einer Mongolischen Steppe. Etwas dichter besiedelt und mit besserer Infrastruktur als das Original.